Eine möglichst schnelle Verbindung
44 45 Kaisermanöver Beim sogenannten „Kaisermanöver“ handelt es sich um ein Militärmanöver, das in Gegenwart des Kaisers im Deutschen Reich jedes Jahr abgehalten wurde. Es dien- te nicht nur der militärischen Übung, sondern auch der Machtdemonstration des Kaiserreiches, weshalb diese Art der Wehrübung nicht unumstritten war. Warum wurde Röhrmoos dafür ausgewählt? Im Gemein- degebiet Röhrmoos vernichtete im Sommer 1891 ein schlimmes Unwetter die gesamten Felder. Die Bauern standen ohne Ernte und Saatgut für das nächste Jahr da. So entschloss sich Prinzregent Luitpold, das Manö- ver mit Kaiser Wilhelm II hier abzuhalten und den Bauern eine Entschädigung für die durch das Manöver zertram- pelten Felder zu bezahlen. Ein weiterer Grund war, dass Röhrmoos einen Bahnhof hatte, zu dem man die Soldaten und Gerätschaften transportieren konnte. So wurden in Röhrmoos zwei bayerische Armeekorps, eine Kavallerie- division und eine Luftschifferabteilung einschließlich Offizieren und Leutnants untergebracht und dort auch verpflegt. Ab Anfang August errichtete man deshalb in Röhrmoos eine „improvisierte Baracken- und Zeltla- gerstadt“ (so der Amper-Bote vom 8. August 1891) ein- schließlich Manövermagazin mit Feldbäckerei und -schlachterei. Die umliegenden Gastwirte hatten für die Versorgung der Offiziere zu sorgen, die Bauern wurden zu harten Spanndiensten herangezogen. „Wir haben damals zwölf Soldaten auf dem Hof gehabt, und in der ganzen Gegend ist’s so zugegangen“, schil- derte 1971 Maria Katzl, letzte, inzwischen verstorbene, Röhrmooser Augenzeugin. „Die großen Madeln haben mit raus müssen zum Mitarbeiten. Wir haben denen ja auch das Essen bringen müssen“, erinnerte sich Frau Katzl. Flurschäden, unzählige Soldaten und harte Arbeit – das waren die Folgen des Manövers. Der Kaiser kommt Ein Höhepunkt war die Ankunft des Kaisers höchstper- sönlich, wie die Neuesten Nachrichten am 10. Septem- ber schrieben: „Röhrmoos, 10. Sept. Vorm. 10 Uhr. Der Kaiser, der Prinz-Regent und Prinz Ludwig sind mit Ge- neralfeldmarschall Blumenthal und dem übrigen Gefolge soeben hier eingetroffen, begrüßt vom Bezirksamtmann von Dachau, dem Kammerherrn Grafen Spreti, dem Ve- teranenverein, der Gemeindevertretung und der Schulju- gend von Röhrmoos. Von Mädchen wurden den hohen Herren Bouquets überreicht. Ein Sohn des Grafen Spreti trug ein Begrüßungsgedicht vor.“ Es folgte nun eine Kutschfahrt vom Bahnhof Röhrmoos nach Röhrmoos Dorf. „Bei unserem Haus hat er ange- halten, weil sie warten mussten, bis die anderen nachge- kommen sind, bis die Rösser ihr Wasser gekriegt ha- ben“, erzählte Maria Katzl: „Eine solche Hitze war ja damals ...“ Das Wasser für die Pferde bekam man damals übrigens aus dem Löschweiher gegenüber vom Hagn-Wirt. Da nun bei der Kutschfahrt zur Manövergegend bei Biber- bach ein wenig Verzögerung entstand, stieg der Kaiser aus und wollte einmal sehen, wie seine Untertanen leb- ten. Spontan und höflich verlangte er Einlass beim Nach- barn von den Katzls, beim Geiger. Der Kaiser beim Geiger Die Geigers bewohnten damals noch, wie die meisten Röhrmooser, ein Holzhaus. Die armen Leu- te vom Geiger-Haus wa- ren vom Auftreten des ho- hen Herren geblendet. Nicht, dass der Mann, der da plötzlich im Garten vor ihrem alten Blockhaus stand, durch eine stattli- che Figur oder machtvol- les Wesen die Röhrmoo- ser Familie beeindruckt hätte – seine große leicht füllige Gestalt, die blonden Haare, die grauen Augen und das formelle Gesicht, auf dem sich neben einem pomadigen Zwirbelbart leichte Ansätze eines Vollbartes zeigten, wirkten nicht eben majestätisch. Nein, seine ganze Erscheinung ließ den Atem der armen Leute sto- cken, das Funkeln der Knöpfe an seiner blauen Uniform, das Blitzen der goldenen Spitzen der Pickelhaube, die bunt leuchtenden Orden am Revers hypnotisierten die Röhrmooser. „Jessas, der Kaiser ...“, stammelte die Mutter von Maria Katzl und sank halb ohnmächtig, halb ehr- fürchtig in die Knie. Wie in Trance nahmen die einfachen Leute kaum die Of- fiziere und die hohen Herrschaften, darunter Prinzregent Luitpold wahr, die sich um Wilhelm II, Kaiser der Deut- schen, beim Geiger in Röhrmoos versammelten. Der Fa- milienvater reagierte am schnellsten, nahm den Krug vom Fensterbrett und gab Seiner Majestät gestöckelte Milch zum Essen. Mit einem Lächeln, halb gütig, halb zynisch, dankte der Kaiser und wandte sich schon wie- der zum Gehen. Vielleicht nur eine oder zwei Minuten mag das gedauert haben, doch niemals wollten die Röhrmooser Armen diesen 10. September 1891 verges- sen, an dem Kaiser Wilhelm II, Kaiser der Deutschen, bei ihnen im Dorf war. Die Kaiserstraße Danach ging die Kutschfahrt des Kaisers mit seinen Be- gleitern aber weiter nach Schönbrunn, über die Kaiser- straße, die damals extra für den Kaiser gebaut worden war, damit er schnell von Röhrmoos zu seinem Beob- achtungsposten für das Manöver kam. Bis heute trägt die Straße diesen Namen. DAS KAISERMANÖVER IN RÖHRMOOS 1891 von Helmuth Rumrich und Franz Thaler Detail aus einer Ehrentafel beim „Bast“ in Arzbach von 1891
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