Eine möglichst schnelle Verbindung
40 41 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten, dem Zeitgeist folgend, eine Vielzahl von Flussbädern an der Würm. Auch auf Augustenfelder Flur baute der Zam- dorfer Bauunternehmer Sebastian Maier an der Grenze zu Allach im Jahr 1901 eine Badeanstalt. Der Zeitpunkt für die Eröffnung eines Bads war sicher gut gewählt, denn seit 1896 gab es in der Nähe eine Bahnhal- testelle und es entstand im Umfeld eine kleine Ansied- lung. So ist der Werdegang beider Einrichtungen eng mit- einander verknüpft. Das Bad wäre wohl nicht entstanden, wenn es keine Haltestelle gegeben hätte. Und die Bade- anstalt sorgte besonders an den Wochenenden mit sei- nen Ausflugsgästen für die rege Nutzung der Haltestelle. Zu dem Bad gehörte ein Gasthaus mit Biergarten, das auch als Bahnhofsgaststätte diente. Sebastian Maier selbst hatte nicht viel Glück mit seinem Investment, denn schon ein Jahr später musste er Insol- venz anmelden. Aus der Konkursmasse ersteigerte Georg Hammerschmid im Jahr 1902 die Badeanstalt und die Bahnhofsgaststätte. Nach 1918 kaufte Therese Reis die Anlage und betrieb sie bis 1925. 1 In dieser Zeit wurde offensichtlich wenig für den Erhalt des Schwimmbades getan, denn als der neue Eigentümer Michael Irber 1926 das Bad übernahm, befanden sich Schwimmbecken, Umkleidekabinen und Toiletten bei der Ortsbegehung durch den Wachtmeister Röttner in einem derart desolaten Zustand, dass das Be- zirksamt die Schließung des Bades androhte. 2 Auch wurde beanstandet, dass Umkleidekabinen an Personen bei- derlei Geschlechts vergeben werden, ohne darauf zu achten, dass die Kabineninhaber verheiratet sind. Im darauf folgenden Jahr waren die baulichen Mängel offensichtlich beseitigt und es gab keinerlei Beanstan- dungen. Bezüglich Sitte und Moral zog sich der Streit mit dem Bezirksamt noch eine Weile hin, bis Irber schließ- lich die sogenannten „Familienkabinen“ in „Männer“- und „Frauenkabinen“ umwidmete. Sein zwischenzeitlicher Kompromiss, Ehepaare an Hand ihrer Eheringe zu über- prüfen, war amtlicherseits nicht akzeptiert worden. 3 Der Badebetrieb wurde von der Bahnhofsgaststätte aus überwacht. Damit das Bad von allen Seiten her erreich- bar war, führten zwei hölzerne Stege über die Würm. Bis zu 100 Personen tummelten sich im Sommer in dem 50 x 12 m großen, bis zu 1,5 m tiefen Bassin. Dieses wurde über eine Rohrleitung, die stromaufwärts Wasser aus der Würm ausleitete, dem Schwimmbecken zuführte und stromabwärts wieder einleitete, versorgt. Das Wasser wurde einmal pro Woche ausgetauscht, was aber nicht immer funktionierte, wenn der Vorfluter zu viel Wasser führte. Leider passierten auch immer wieder Unfälle, wenn „Mu- tige“ von den über drei Meter hohen Kabinendächern in das etwa 1 m tiefe Wasser sprangen. Das Bezirksamt Dachau verpflichtete daraufhin den Betreiber, mit einem Hinweisschild auf die „Gefahr des Herunterspringens von den Dächern“ aufmerksam zu machen. Die Karlsfelder Malerin Edeltraud Klapproth, die nur 200 m entfernt wohnte, erinnerte sich besonders an die Bade- gäste von außerhalb: „Das Bad war eine große Anlage mit weitem Schwimm- becken und darum gelegenen Badekabinen, Liegewiese und einem schönen kastanienbestandenen Biergarten. Sonntags entleerten die Vorortzüge von München dort wahre Völkermassen badehungriger Gäste. Wir hörten den fröhlichen Lärm der Badeanstalt dann bis zu uns he- rüber in den Garten.“ 4 1934 erweiterte Michael Irber das Bad, indem er einen über 170 m langen Abschnitt der Würm von der Eisen- bahnbrücke bis zum alten Bad zusätzlich zum Schwimm- becken ausbaute. Die Beckenränder und das Flussbett wurden betoniert; das neue Becken erhielt eine Breite von 6 m und eine Tiefe von 1,20 m. 5 In der Pasinger Tageszeitung „Würmtalbote“ wurde 1935 in Pasing und Umgebung für einen Badeausflug nach „Bad Karlsfeld“ geworben. Man könne das Bad in nur 17 Minuten mit dem Vorortzug für billiges Geld erreichen. Vom Landungsbahnhof Bad Karlsfeld habe man bereits die ganze Anlage vor sich, zu welcher der ausgedehnte Allacher Forst den für das Auge wohltuenden Hinter- grund abgäbe. 6 Als man 1938 die Haltestelle Karlsfeld zum Güterbahnhof für das BMW-Werk im Allacher Forst ausbaute, musste das Bad schließen. Schwimmbecken und Liegewiese waren der Erweiterung des Bahnhofs nach Osten mit dem Bau von sechs weiteren Gleisen im Weg. Außerdem war mit dem Betrieb der Güterzüge in unmittelbarer Nachbar- schaft die ländliche Idylle endgültig vorüber. n 1 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130165. 2 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130166. 3 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130166. 4 Edeltraud Klapproth, Am Unterlauf der Würm, Fauna Verlag, Karlsfeld, 1991. 5 Amperbote, 30.Mai 1934. 6 Würmtalbote vom 13./14.Juli 1935, Monacensia, München. Detail aus einer Postkarte: Die Bahnhofsgaststätte Irber mit Biergarten um 1930 B ilder erzählen Geschichte (n) Die Badeanstalt in „Bad Karlsfeld“ von Horst Pajung
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