Eine möglichst schnelle Verbindung

34 35 Der Gastwirt Johann Georg Großmann versprach sich mit dem Bau einer „Bahnhofsrestauration“ ein Geschäft mit der Bewirtung der Reisenden. In seinem Bauantrag begründet er das „Bedürfnis“ u. a. so: „…wäre ein lebhaf- ter Personenverkehr vorherzusehen, da am 1. und 2. Juni 1889 schon 140 Fahrgäste die Züge bestiegen hätten.“ Gegen Ende 1889 wurde das Gasthaus bereits eröffnet. Dieser Bahnhof bestand mit kleineren, technisch beding- ten Änderungen bis zur Einführung der Münchner S-Bahn 1972. Mit dieser Erweiterung des Nahverkehrs verschwand auch eine äußerst unglückliche, unfallträch- tige Verkehrssituation, nämlich der beschrankte Bahn- übergang, der durch eine Unterführung ersetzt wurde. Für diese sogenannte „Unterfahrt“ hatte die Gemeinde Vierkirchen fast 100 Jahre lang gekämpft. Im Zuge des Trassenausbaus für die ICE-Strecke wurde auch der Bahnhof abgerissen. Heute wird die im Jahre 1996 umbenannte Haltestelle Vierkirchen-Esterhofen der S2 eingleisig bedient. Auf zwei weiteren Gleisen ver- läuft der Fernverkehr. Die damalige Umbenennung stieß auf den Widerstand der Bewohner Esterhofens, wie aus einem Flugblatt zu entnehmen ist, auf dem gefordert wurde: „Hände weg von Esterhofen“. Der Widerstand äußerte sich auch dahingehend, dass die alten „Esterho- fen-Schilder“, die vorläufig mit Folie „Vierkirchen-Ester- hofen“ überklebt worden waren, in einer nächtlichen Ak- tion abgerissen wurden. DER BAHNHOF WALPERTSHOFEN UND DIE RESTAURATION HERZOG von Helmut Gröss Ähnlich wie in Esterhofen verlief die Entwicklung in Wal- pertshofen. Einige Jahre nach dem Bahnhof Esterhofen bekam am 15. August 1891 Walpertshofen den Bahnan- schluss. Volkstümlich wurde die Bahnstation auch „Schiefhausen“ genannt, weil der Zug aufgrund der über- höhten Kurve schräg stand, was im Winter zu Anfahrpro- blemen bei den Dampflokomotiven kam. Der „kurvige“ Streckenverlauf, der den Ort Unterweilbach weit umfuhr, kam folgendermaßen zustande: Ursprünglich war von Seiten der Bahn nicht an eine Bahnstation Gut Walpertshofen, sondern an eine Station am benachbarten Schloss Unterweilbach gedacht. Der dortige Schlossherr Graf Spreti weigerte sich aber, Grund und Boden zu verkaufen, mit dem Argument: „Erstens fahren dann meine Bediensteten ständig nach München und geben ihr Geld aus, und zweitens kommt dann das ganze Gschwerl (Gesindel) aus der Stadt zu uns heraus!“, soll er gesagt haben. Das sah der Gutsbesitzer Ökonomierat Johann B. Wester- mayr anders. Er befürwortete den Bau einer Station, gab Grund und Boden dafür her und holte die Station auf diese Weise nach Walpertshofen. Seine Bedingung war, dass die Station „Walpertshofen“ und nicht „Hebertshausen“ heißen sollte. Sein Sohn Benno ließ an der hofeigenen Ka- pelle später dafür extra eine Tafel anbringen, die dem „Er- richter der Bahnstation Walpertshofen“ gewidmet war. Als der erste Zug in Walpertshofen planmäßig halten musste, versammelten sich mehrere Honoratioren, dar- unter Ökonomierat Westermayr, der dem Zugführer fei- erlich eine Goldmünze überreichen wollte. Der aber raunzte nur mürrisch „Ist es jetzt schon so weit, dass wir an jedem Misthaufen halten müssen?“ und gab das Sig- nal zum Abfahren. Das Festkomitee trat verärgert den Rückzug an und die Goldmünze blieb in Familienbesitz. Der „Amperbote“ berichtete am 8. August 1891: „Eröffnung des Bahnhofs Walpertshofen. Am Samstag den 15. August l. Js. wird die Haltestelle Walpertshofen zwischen Dachau und Röhrmoos für die Abfertigung von Personen, Reisegepäck und Hunden eröffnet.“ Die Per- sonenzüge kommen nach Walpertshofen von Röhrmoos um 5.39, 8.48, 1.15, 3.56, 5.45 und 12.21 Uhr und von Dachau um 6.27, 11.06, 1.31, 2.40, 5.28 und 8.08 Uhr. Weiter wird am 27. Februar 1892 berichtet, dass auch Kleinvieh zur Verladung angenommen wird, das jedoch einen Tag vorher angemeldet werden müsse. Am 4. Au- gust 1892 wurde das zweite Gleis in Betrieb genommen. Im April 1909 wurde der unbeschränkte Güterverkehr aufgenommen. Um 1909 entstand wie in Ester- hofen eine Bahnhofswirtschaft auf Initiative des Hebertshauser Wirtes Anton Herzog, die 1910 auch eine Postagentur erhielt. Die Post wurde ja bereits seit län- gerem mit der Bahn transportiert. Die Postsäcke wurden von den jeweiligen „Posthaltern“ zu einem bestimmten Postzug gebracht, oder die Postkunden warfen sie in einen Briefschlitz am Postwagon. Der Gütertransport auf der Bahn eröffnete ganz neue Möglichkei- ten. Wenn es Verladeeinrichtun- gen am Bahnhof gab, wie in Petershausen oder Röhr- moos, konnten auch sperrige oder schwere Güter transportiert werden. So kam z. B. Grieskohle, also Koh- legranulat von Penzberg oder Peissenberg nach Röhr- moos, wo es abgeholt wurde, um in den um 1890 ent- standenen Ziegeleien zum Brennen der Ziegel verwendet zu werden. Auch die Milchlieferungen der Dachauer Bau- ern nach München per Bahn brachten große Vorteile. Im Zuge der Ertüchtigung für den ICE-Fernverkehr wur- de die gesamte Trasse zwischen Röhrmoos und Dachau verändert, der Ort Unterweilbach wird jetzt öst- lich umfahren. Dazu wurde auch das Bahnhofsgebäude abgebrochen und ein neuer Bahnsteig für den S-Bahn-Verkehr errichtet. Eine Unterführung ersetzt den beschrankten Bahnübergang. Seitdem heißt die Haltestelle der S-Bahn „Hebertshausen“, wie einstmals geplant. Ausschnitt aus einer Postkarte: der Bahnhof Walpertshofen und die Gaststätte Anton Herzog um 1910.

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