Eine möglichst schnelle Verbindung

32 33 die mit ihren Familien in werkseigenen Wohnhäusern leb- ten. Durch den Bau der Badeanstalt bekam der Ortsteil den klangvollen Namen „Bad Karlsfeld“, der auch offiziell in den Adressbüchern und den Sitzungsprotokollen der Gemeinderatssitzungen um 1930 Verwendung fand. (s. dazu S. 40) Um 1934 wurde, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Strecke München-Dachau, auch der Bahnhof umgebaut. (s. Foto vorherige Seite). Er wirk- te immer noch familiär mit seinen Blumenampeln und dem Pumpbrunnen. Der Warteraum war nun mit einem Kanonenöfchen ausgestattet. 4 Diese Idylle hielt jedoch nicht lange an, denn 1938 begann im Allacher Forst der Bau des BMW-Flugmotorenwerkes, das als rüstungswichtiger Betrieb eingestuft wurde. 5 Dazu musste auch der Karlsfelder Bahnhof zu einem Güterbahnhof ausgebaut werden. Der Bahnübergang der Landstraße wurde 250 m weiter in Richtung Allach verlegt und das Bahnhofsgebäude abgerissen. Auch die direkt neben der Bahnstrecke liegende Badeanstalt von Bad Karlsfeld, die erst 1934 renoviert und erweitert wur- de, fiel dieser Baumaßnahme zum Opfer. Für den Güterbahnhof wurden auf einer Länge von bis zu 1000 m sechs weitere Gleise, ein Stellwerk und ein Anschlussgleis zum BMW-Werk gebaut. Der Zugang zum nunmehr überdachten Bahnsteig erfolgte von Osten durch eine Unterführung von der Allacher Straße. 6 Wäh- rend der Baumaßnahmen ermöglichte eine behelfsmäßi- ge Fußgängerbrücke den Zugang zum Bahnsteig. 7 Während der letzten zwei Kriegsjahre, als die Produktion der Flugmotoren ihren Höhepunkt erreichte, war der Bahnhof mit Güterzügen stark frequentiert. Nach dem Krieg nahm die Bedeutung der Haltestelle Karlsfeld immer mehr zu. Zum einen lief der Betrieb im BMW-Werk, das nun unter dem Namen „Karlsfeld Ord- nance Depot“ amerikanische Militärfahrzeuge reparierte, fast lückenlos weiter und es mussten täglich bis zu 7000 Mitarbeiter zur Arbeit gebracht werden. Darüber hinaus wohnten mittlerweile mehr als 2000 Menschen in Karls- feld mit stark steigender Tendenz; zusätzlich lebten wei- tere 2000 in der BMW-Wohnsiedlung direkt neben dem Bahnhof, die zum Teil nach München oder Dachau zur Arbeit fahren mussten. Im Jahr 1972, Karlsfelds Einwohnerzahl hatte nun die 12.000er-Marke überschritten, wurde der Vorortverkehr als Linie S2 in das S-Bahn-Netz Münchens integriert und mit einem 20-Minuten-Takt ausgestattet. Seine bisher letzte große Umgestaltung erlebte der Karls- felder Bahnhof zwischen 2005 und 2007. Im Zuge des ICE-Streckenausbaus wurden zwei zusätzliche Gleise gebaut, der Bahnsteig verlängert und um etwa 100 m nach Norden verlegt. Es wurde auch eine zweite, nun- mehr fahrradtaugliche Unterführung mit Zugang zum Bahnsteig auf Karlsfelder Flur gebaut. 8 Auf der Strecke nach Dachau entstand 2004 auch eine neue Unterführung für eine Ortsverbindungsstraße nach Karlsfeld West und in die Waldschwaige auf Höhe der Hochstraße. Die Reschenbach-Unterführung wurde 2002 ebenfalls erneuert. 1 Amperbote vom 2. Mai 1896, Gratisbeilage mit Sommer-Fahrplan, gültig ab 1.5.1896. 2 Edeltraud Klapproth: Am Unterlauf der Würm. Fauna Verlag 1991, S. 126. 3 Klapproth, S. 126. 4 Klapproth, S. 126. 5 Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. München 2006. 6 Luftbild Januar 1937, Hansa Luftbild GmbH, München. 7 Klapproth, S. 126. 8 Wikipedia, Stichwort „Schnellfahrstrecke Nürnberg-Ingolstadt-München“, Mai 2017. DER BAHNHOF ESTERHOFEN von Helmut Gröss Die Bahnstrecke Ingolstadt-München wurde in den Jah- ren 1866/68 nahe an der kleinen, aus fünf Bauernhöfen bestehenden Ortschaft Esterhofen, vorbeigeführt. Drei- ßig Tagwerk (13,15 ha) Felder und Wiesen mussten da- für zum Bahnbau übereignet werden. Die Gemeinden Weichs und Vierkirchen hatten sich gegen eine Trassie- rung durch ihre Dörfer ausgesprochen, weshalb Ester- hofen so im doppelten Sinn des Wortes „zum Zug“ kam. Anfänglich gab es hier nur einen Streckenposten, der die Schranken am Bahnübergang bediente. Eine Unterfüh- rung gab es, vermutlich aus Kostengründen, nicht. Drei weitere Bahnübergänge Richtung Petershausen wurden von eigenen Bahnwärterhäusern aus bedient. Als um 1889 der zweigleisige Ausbau in Planung war, bemühte sich die Gemeinde Vierkirchen um eine Halte- stelle in Esterhofen. In einer Statistik von 1874 hieß es Detail einer Postkarte von G. Beinrucker mit Bahnhofsrestauration und Bahnhof um 1900 zu Vierkirchen: „Pfarrei mit 1.107 Seelen in 209 Häusern (…). Nächste Eisenbahnstationen Petershausen (1 ¼ Std.) und Röhrmoos (1 Std.)“. Es war damals beschwerlich zum nächsten Bahnhof zu kommen. So sollen der damalige Bürgermeister Hans Mayr und der „Bräu“ Jakob Mayr mit dreckigen Stiefeln in der Reichsbahn-Direktion vorstellig geworden sein, um den weiten Weg auf schlechter Straße zum Bahnhof nach Röhrmoos zu demonstrieren. Weil sie nicht gleich erfolgreich waren, erzählt man sich, sollen sie bei der Heimfahrt aus Wut darüber in Esterhofen die Notbremse gezogen haben. Im Sommer 1889 kam es tatsächlich zu einem probeweisen Betrieb einer Haltestelle Esterhofen, dem im Zuge des Gleis- ausbaues die Einrichtung eines kleinen Bahnhofes folgte.

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