Ganz langsam wieder Energie aufbauen Long-Covid-Therapie Das Fieber geht zurück, der Husten lässt nach und das Essen schmeckt wieder – Covid ist überstanden, würde man denken. Doch bei manchen beginnt dann erst der Alptraum. Ein Spaziergang, ja selbst ein Gespräch macht unendlich müde. Bei jeder Bewegung schmerzen die Muskeln. Atmen fühlt sich an, als ob die Lungen gegen unsichtbare Gewichte kämpfen. Selbst die einfachsten Aufgaben werden zu mentalen Hindernisläufen. Nach einem Corona-Infekt oder einer -Impfung leiden ca. 10 % der Menschen an Long Covid. Für sie gibt es im Landkreis Dachau nun 2 Therapieangebote. Da die Symptome von Long Covid bei jedem unterschiedlich sind und den ganzen Körper betreffen können, ist die Diagnose schwierig. Haus- oder Fachärzte müssen andere Erkrankungen ausschließen, zum Beispiel durch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT oder MRT. Wird nichts gefunden, so leidet der Patient nach einer Corona-Erkrankung oder -Impfung höchstwahrscheinlich an Long Covid. Obwohl noch in der Erforschung, gibt es dafür sogar schon einen ICD-Code: u09.9. Das Besondere dabei: Durch ihn können mehrere Rezepte gleichzeitig auch über einen längeren Zeitraum ausgestellt werden. Therapie DAHoam Für Long-Covid-Patienten haben wir seit diesen Sommer 2 spezialisierte Anlaufstellen im Landkreis Dachau: Anna Andlauer, Hüterin der Kinder aus Indersdorf Das Tagebuch von Greta Fischer, einer Mitarbeiterin im Indersdorfer UNRRA-Zentrum für Kinder, brachte die Schicksale in das Herz von Heimatforscherin Anna Andlauer. Sie machte sich auf die Suche nach Überlebenden und widmete ihnen die Fotoausstellung „Life After Survival – Zurück ins Leben“. Diese wurde 2016 in New York und 2019 in Israel gezeigt. Anna Andlauer verfasste zu diesem Thema auch mehrere Bücher und organisiert regelmäßig Treffen der „Kinder aus Kloster Indersdorf“ mit Zeitzeugengesprächen. 2021 konzipierte sie die Ausstellung „Weg des Erinnerns“ in Markt Indersdorf, 2023 wirkte sie an der Ausstellung in Oświęcim mit. Ihr unermüdliches Engagement würdigte der Landkreis Dachau mit der Landkreisverdienstmedaille, die Bundesregierung mit dem Verdienstkreuz am Bande und das polnische Außenministerium mit der Bene-Merito-Medaille. 1. Das Orthopädische MVZ Dr. Sommerfeld ist Teil des deutschlandweiten Covivid-Netzwerks. Die Therapie hier besteht aus 2 Komponenten: Auf die Behandlung zur Entspannung der Atemhilfsmuskulatur folgt ein künstliches Höhentraining. 2. Wer mehr als nur Atemprobleme hat, kann sich an das AmperVital wenden, das Fitness- und Rehabilitationszentrum im Dachauer Helios Amper-Klinikum. Dieses unterstützt Long-Covid-Patienten zusätzlich zur Atemtherapie zum Beispiel auch durch Ergo- und manuelle Therapie, Krankengymnastik am Gerät und manuelle Lymphdrainage. Aus Betroffenen wurden Experten Im AmperVital meldeten sich immer mehr Patienten aus Dachau und Umgebung, die nach einem Covid-Infekt nicht wieder auf die Beine kamen. Daher bildeten sich seit Beginn des Jahres 2023 Ärzte und Therapeuten intensiv in diesem Bereich fort, und die neue Therapie startete im Juli. Dr. med. Wolfgang Ködel, Leiter und Chefarzt am Gesundheitszentrum, erklärt, warum er diese initiierte: „Patienten mit Long oder Post Covid haben einen hohen Leidensdruck, wie ich in meinem engsten Umfeld erlebt habe. Durch die extreme Müdigkeit gehen zum Beispiel soziale Kontakte verloren. Eigentlich verändert sich das ganze Leben.“ Das kann die 51-jährige Nicole Röschmann bestätigen: „Ich war insgesamt 3 Monate krankgeschrieben. Mein Akku war bei der kleinsten Belastung sofort leer, so dass meine Familie viel auffangen musste.“ Und so wurde die Leiterin der Physiotherapie im AmperVital die 1. Therapie-Patientin. Marathon statt Sprint Viel hilft viel gilt nicht bei der Long-Covid-Therapie, ganz im Gegenteil. Dr. med. Wolfgang Ködel weiß aus Erfahrung: „Die Dosis ist entscheidend, bei Überbelastung liegen Patienten wieder 2 Wochen im Bett. Je nachdem, wie es dem Erkrankten geht, passen die Therapeuten das Programm an, kommen sie nicht weiter, dann unterstützt ein Arzt.“ Betroffene müssen also viel Geduld aufbringen und leider geht es nicht immer nur bergauf. Das stellte auch Nicole Röschmann fest. Sie musste immer wieder mal 1 bis 2 Wochen die Belastungen und das Training deutlich herunterfahren. Ihr Rat: „Achten Sie täglich darauf, wie es Ihnen geht. Lassen Sie sich von Sätzen wie ‚Stell dich nicht so an‘ nicht beeinflussen. Nur Sie können wissen, was und wie viel Sie sich im Alltag zumuten können und was Ihnen guttut. Es wird besser, auch wenn es lange dauert. Verlieren sie nicht den Mut!“ Richtig atmen, radeln, das Gleichgewicht halten – diese Therapien im AmperVital helfen Nicole Röschmann bei ihrer Long-Covid Erkrankung. Dr. med. Wolfgang Ködel freut sich zu sehen, wie es ihr und den anderen Patienten im Alter von 11 bis 70 Jahren langsam besser geht. 27 26 Kreis.BLICK! — Dezember 2023 Gesundheit An Weihnachten stehen die Kinder in jeder Hinsicht im Mittelpunkt: Auf der ganzen Welt feiern Gläubige die Geburt Jesu, Geschenke und besondere Weihnachtsdeko bringen Kinderaugen zum Strahlen. Wir wollen diese Zeit zum Anlass nehmen, an Kinder zu erinnern, die Weihnachten ganz ohne Liebe und Glück erleben mussten: die Kinder aus Indersdorf. Obwohl es die Bezeichnung vermuten lässt, waren die Kinder aus Indersdorf nicht im Landkreis Dachau verwurzelt. Es waren Kinder polnischer und ukrainischer Zwangsarbeiterinnen, die von ihren Müttern im 3. Reich getrennt und in einer Kinderbaracke in Indersdorf menschenverachtend versorgt wurden, so dass viele starben. Es waren auch Kinder, die im Holocaust ihre Familien verloren haben. Für sie richtete die Hilfsorganisation UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) nach dem 2. Weltkrieg im Kloster Indersdorf ein Kinderzentrum ein. Für die Kinder aus Indersdorf war der Landkreis Dachau damit sowohl ein Ort des Sterbens als auch der Zuflucht. Nach dem „Weg des Erinnerns“ in Markt Indersdorf gibt ihnen nun auch eine Ausstellung in Oświęcim/Auschwitz ein Gesicht und erzählt ihre Geschichten. Landkreispartnerschaft/Erinnerung „Kinder aus Indersdorf 1944 – 1948. Zeugen und Opfer des Dritten Reiches“ in Oświęcim Der „Weg des Erinnerns“ war quasi der Grundstein für die Ausstellung in Oświęcim. Heimatforscherin Anna Andlauer führte Dorota Mleczko, Direktorin des „Museums zum Gedenken an die Einwohner der Region Oświęcim“ entlang der 5 Stationen in Indersdorf. Diese war berührt und wollte das Thema auch den Menschen in ihrer Heimat zeigen. Ein neues Partnerschaftsprojekt war geboren. Gemeinsam mit Dr. Bernadetta Czech-Sailer vom Büro des Landrats setzte sie die Ausstellung in kürzester Zeit um, Anna Andlauer lieferte Texte und Fotos. Manche von ihnen werden zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Die Planerinnen haben damit nicht nur ein starkes Projekt für die Landkreispartnerschaft, sondern auch für die Erinnerungsarbeit geschaffen. Dr. Bernadetta Czech-Sailer erklärt dazu: „Es ist wichtig, in Polen zu verdeutlichen, dass wir im Landkreis Dachau die Opfer dieser schrecklichen NS-Zeit nicht vergessen. Nur so können wir gemeinsam mit den polnischen Freunden an der friedlichen Zukunft im vereinten Europa arbeiten.“ 24 moderne Stelltafeln in Quaderform auf der langgestreckten Terrasse des „Museums zum Gedenken an die Einwohner der Region Oświęcim“ informieren über die besondere Landkreispartnerschaft, Zwangsarbeit im 3. Reich und in Dachau, die Kinderbaracke in Markt Indersdorf sowie das UNRRA-Kinderzentrum im Kloster Indersdorf. Da die Ausstellung in Oświęcim weitaus größer ist als der „Weg der Erinnerung“ in Indersdorf, können der Alltag im UNRRA-Kinderzentrum sowie auch viele persönliche Schicksale ausführlich gezeigt werden. Die Kinder aus Indersdorf Die Erinnerung lebendig halten Zofia Karpuk ist das kleine Mädchen, das im UNRRA-Kinderzentrum auf einem Tisch steht und eine Jacke anprobiert. 78 Jahre später ist sie bei der Eröffnung der Ausstellung zu den Kindern aus Indersdorf in Oświęcim dabei. Mit ihrer Anwesenheit und auch mit ihren Worten sorgt die Zeitzeugin für Gänsehautmomente. Sie bat die Anwesenden: „Tut alles, damit sich nicht wiederholt, was wir erfahren mussten.“
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