Kreis.BLICK!

„Auf Kante genäht“, „Quadratur des Kreises“, „sehr enges Korsett“ – solche Vergleiche verwendeten die Fraktionssprecherinnen und Fraktionssprecher im Kreistag bei ihren Haushaltsreden im März. Schon allein das zeigt, welcher Kraftakt der Kreishaushalt 2023 war. 239 € Millionen sind es geworden, die der Landkreis für seine Aufgaben zur Verfügung hat. Die beiden Schulneubauten lassen sich dabei nur mit hohen Kreditaufnahmen finanzieren. Und die nächsten Jahre wird es wohl so weitergehen, insbesondere wenn es für die Kommunen kein „frisches Geld“ für die zunehmenden Aufgaben geben sollte. Wie viele Bürgerinnen und Bürger stand in diesem Jahr auch die Kreiskämmerei vor vielen Herausforderungen. Durch die hohe Inflation werden Anschaffungen und Bauprojekte deutlich teurer. Die gestiegenen Energiekosten schlagen beim Unterhalt der Gebäude zusätzlich zu Buche, vor allem aber beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Hinzu kommen noch die deutlich gestiegenen Zinsen, die die Kreditaufnahmen für die Schulneubauten in Karlsfeld und Röhrmoos verteuern. Diese externen Faktoren plus die hohen Summen, die für Schulbauten an sich schon gebraucht werden, haben die internen Budgetgespräche sehr schwierig gemacht. Über allem stand die Frage „Brauchen wir das wirklich?“. Kreisgremien setzen nur aufs Sparen Mögliche Einsparpotenziale dominierten natürlich auch die Beratungen in den Kreisgremien. Zum 1. Mal verlief diese in 2 Stufen: Im Dezember wurde in den Ausschüssen der Entwurf des Kreishaushalts vorgestellt. Bis Februar berieten sich die Fraktionen, dann wurden im Kreisausschuss Kürzungen diskutiert und beschlossen, welche zu deutlichen Änderungen im Haushaltsentwurf führten. Dabei zeigte sich, dass es beim Sparen keine Tabuthemen mehr gibt, und neben den freiwilligen Leistungen sind auch die Bereiche Katastrophenschutz, Jugend und Klimaschutz nicht mehr außen vor. Lediglich die Angebote im ÖPNV sollen vorerst uneingeschränkt fortgeführt werden, müssen aber in den kommenden Jahren durch die Bevölkerung auch angenommen werden (siehe Seite 12). Im Verwaltungshaushalt (laufende Ausgaben/Leistungen) wurde auf Wunsch des Kreisausschusses beispielsweise in folgenden Bereichen und Projekten gekürzt: Auch im Vermögenshaushalt (Investitionen) musste an schmerzhaften Stellen gespart werden: zFeuerwehrbudget zBeteiligung an der Internationalen Bauausstellung zNeubau Landratsamt: Planungskosten nur bis zur Bauleitplanung, dann Diskussion, wann und in welchem Zeitraum der dringend benötigte Neubau stattfinden soll/kann bzw. ob es Alternativen gibt Der zu Beginn der Haushaltsberatungen durch Kreiskämmerer Michael Mair aufgezeigte Finanzbedarf des Landkreises in Höhe von 49,99 % (2022: 49,0 %) Kreisumlagehebesatzpunkten konnte durch die genannten Einsparungen auf die in der Finanzplanung vorgesehenen 49,5 % vermindert werden. Bei der Abstimmung im Kreistag fand der neue Entwurf dann auch eine breite Mehrheit. 63 von 70 Mitgliedern stimmten zu und lobten die Kreiskämmerei für die sehr gute Haushaltsführung und alle Mitarbeitenden im Landratsamt für ihr Engagement in diesen schwierigen Zeiten. Zu wenig eigenes Geld für Investitionen Richtig glücklich ist der Kreiskämmerer aber dennoch nicht. Denn trotz der Einsparungen kann mit einem Kreisumlagehebesatz von 49,5 % die Mindestzuführung vom Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt nicht erreicht werden. Das bedeutet, der Landkreis Dachau kann seiner gesetzlichen Verpflichtung in diesem Jahr nicht nachkommen. Er müsste mindestens den Betrag zuführen, der für die ordentliche Tilgung von Krediten benötigt wird. Michael Mair bereitet dies Sorgen und entsprechend kritisch ist der Ausblick des Kreiskämmerers auf die Finanzplanung für die nächsten Jahre: „Für die beiden neuen Schulen werden wir bis 2025 unser Investitionsvolumen fast verdreifachen müssen. Da weder eine ausreichende Zuführung noch entsprechende Rücklagen vorhanden sind, werden die Schulden des Landkreises von derzeit 35 Mio. € auf voraussichtlich 171 Mio. € in 2026 steigen. Wenn sich zusätzlich die Zinsen weiter erhöhen, ist dies ein hohes finanzielles Risiko. Die Rechtsaufsicht hat bereits angekündigt, dass die zukünftige Finanzplanung so nicht genehmigungsfähig sei. Dann wäre die Handlungsfähigkeit des Landkreises insgesamt gefährdet. Das bedeutet, dass statt des Kreisausschusses bzw. Kreistags die Regierung von Oberbayern über Ausgaben und Investitionen entscheidet. Ohne eine Verbesserung der Einnahmen oder weitere hohe Einsparungen wird es also nicht gehen.“ Das sieht auch Landrat Stefan Löwl so: „Der Haushalt entsteht im Laufe des Jahres durch die Beschlüsse der Kreisgremien. Wir müssen daher bei jedem Thema, auch den wichtigen oder wünschenswerten, innehalten und neben den Vorteilen auch die finanziellen Auswirkungen abwägen. Natürlich kann man immer besser sein und will dies auch, aber mit einer unterdurchschnittlichen Umlagekraft und einer unterdurchschnittlichen Kreisumlage ist ein überdurchschnittliches Angebot einfach nicht möglich, zumindest nicht dauerhaft und in mehreren Bereichen.“ Zum Hintergrund: Die Umlagekraft Finanzen Personalausgaben 13,95 % Verwaltungs-/ Betriebsaufwand 16,16 % Lfd. Zuweisungen und Zuschüsse 8,67 % Soziale Sicherung 24,87 % Zinsausgaben 0,26 % Allg. Deckungsreserve 0,25 % Kalkul. Ausgaben 0,13 % Bezirksumlage 20,60 % Sonstige Zuführungen 0,02 % Zuführung an Vermögenshaushalt 0,26 % Allgemeine Verwaltung 0,82 % Öffentl. Sicherheit u. Ordnung 0,27 % Schulen 11,59 % Soziale Sicherung 0,02 % Kulturpflege, Gesundheit, Sport, Erholung 0,11 % Bau-, Wohnungswesen, Verkehr 1,11 % Öffentl. Einrichtungen 0,06 % Wirtschaftl. Unternehmen 0,23 % Sonstige Finanzbuchungen, Zuführungen usw. 0,61 % Gesamthaushalt 2023 239,766 Mio.€ VERMÖGENS35,551 Mio. € INVESTITIONEN 14,83 % HAUSHALT VERWALTUNGS204,215 Mio. € LAUFENDE KOSTEN 85,17 % HAUSHALT Landkreishaushalt 2023 Der Beginn eines großen Kraftakts Die Kommunen in Bayern finanzieren sich überwiegend über verschiedene Steuern bzw. Steueranteile (Gewerbesteuer, Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Grundsteuer), Gebühren sowie pauschale Finanzzuweisungen des Freistaats oder (anteilige) Kostenerstattungen des Bundes. Über das gesetzlich festgelegte Umlagesystem werden die Steuereinnahmen dann auf die drei kommunalen Ebenen (Gemeinden/Städte, Landkreise, Bezirke) verteilt. Die Umlagekraft der Kommunen errechnet sich aus der bayernweit angeglichenen (nivellierten) Höhe ihrer Steuerkraft plus 80% ihrer Schlüsselzuweisungen des vorausgegangenen Haushaltsjahres. Dabei ergibt die Summe der Umlagekraft aller Gemeinden die Umlagekraft des Landkreises. Der Landkreis Dachau kann bei der Umlagekraft pro Einwohner mit 1.444 € im Jahr 2021 (welches für den Kreishaushalt 2023 relevant ist) nur 6 Landkreise von 20 in Oberbayern hinter sich lassen. Um eine ähnlich hohe Summe an Kreisumlage zu erreichen wie Landkreise mit einer höheren Umlagekraft, müsste der Hebesatz entsprechend höher sein. Mit 49,5 % liegt unser Landkreis aber nur auf Rang 12 von 20 Landkreisen in Oberbayern. Geringe Umlagekraft und niedriger Kreisumlagehebesatz führen dazu, dass der Landkreis Dachau finanziell nicht so gut ausgestattet ist wie zahlreiche andere Landkreise im Umfeld von München. Die genannten, im oberbayernweiten Vergleich unterdurchschnittlichen Einnahmedaten bedeuten eine große Herausforderung für die Landkreisverwaltung, vor allem um die Aufgaben in den Bereichen Soziales, Schulen und ÖPNV zu erfüllen. Schon seit einigen Jahren fordern Kommunalpolitiker aller Ebenen und aller Parteien im Landkreis eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs bzw. eine deutliche Absenkung von Standards und weniger (neue) Aufgabenzuweisungen von Bund und Land. Bürgermeister-Obmann Stefan Kolbe bringt das Problem auf den Punkt: „Kreistag und Kommunen haben gar nicht mehr die Möglichkeit, solidarisch miteinander umzugehen.“ Ausgaben und Einnahmen kurz erklärt Ausgaben: zDer Großteil der Ausgaben (≈ 55 %) fließen in den Bereich „Soziales“. Leistungen wie das Bürgergeld oder Mittel für die Jugendhilfe bezahlt der Landkreis direkt (= soziale Sicherung). Über die Bezirksumlage wird zum Beispiel die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung finanziert. zUnter „Verwaltungs- und Betriebsaufwand“ (16,16 %) fallen Kosten rund um den Betrieb des Landratsamts sowie der weiterführenden Schulen (z.B. Mieten, Instandhaltung, Energie). zFür den Öffentlichen Personennahverkehr wurden fast 15 Mio. € eingeplant (8 %). Einnahmen: zDer Landkreis hat selbst keine direkten Einnahmen. Er muss sich daher über Dritte finanzieren. zÜber die Kreisumlage geben die Gemeinden einen Teil ihrer Steuereinnahmen an den Landkreis weiter. Für 2023 liegt der Hebesatz bei 49,5 %. Damit macht die Kreisumlage mehr als die Hälfte der Einnahmen aus. zVom Bund sowie vom Freistaat Bayern erhält der Landkreis Geld für soziale Leistungen, den ÖPNV und die Schülerbeförderung (Verwaltung/Betrieb: 22,5 % der Einnahmen). Verwaltungshaushalt (laufende Ausgaben/Leistungen) Ausgaben: zFast 82 % der Investitionen fließen 2023 in Schulen, hier insbesondere in die Schulneubauten in Karlsfeld und Röhrmoos. zDer nächstkleinere Anteil (7,8 %) wird in den Bereichen „Bau-, Wohnungswesen, Verkehr“ investiert, zum Beispiel für die Ortsdurchfahrt in Langenpettenbach. Einnahmen: zFür die Schulbauten sowie Tiefbaumaßnahmen erhält der Landkreis „Investitionszuweisungen“ vom Freistaat (31,1 %), die eigentlich eingeplanten KfW-Mittel des Bundes für energieeffiziente Bauten stehen leider für Neubauten nicht mehr zur Verfügung. zNachdem die Zuführung aus dem Verwaltungshaushalt sehr gering ausfiel (1,7 %), wird ein großer Teil der Rücklagen aufgelöst (12,6 %). zDie Hauptfinanzierung (52,6 %) muss über neue Kredite erfolgen. Vermögenshaushalt (Investitionen) zKlimaladen: 2023/2024 keine weiteren Aktivitäten zRenovierung Gymnasium Markt Indersdorf: nur Westseite statt ganzer Fassade zDemokratie Leben: Kürzung der Förderung 15 14 Kreis.BLICK! — Juli 2023 1.299 1.302 1.339 1.349 1.369 1.370 1.444 1.457 1.457 1.460 1.462 1.469 1.533 1.552 1.564 1.648 1.703 1.777 1.784 1.790 4.140 Berchtesgadener Land Garmisch-Partenkirchen Bad Tölz Wolfratshausen Eichstätt Schrobenhausen Mühldorf am Inn Dachau Rosenheim Traunstein Ebersberg Pfaffenhofen a.d. Ilm Fürstenfeldbruck Landsberg am Lech Weilheim-Schongau Erding Freising Miesbach Altötting Starnberg Durchschnitt aller Landkreise München Umlagekraftvergleich Landkreise in Oberbayern 2023 in € pro Einwohner

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