Kreis.BLICK!

Selbstbewusst betritt Heinz*, 19 Jahre, den Raum. Er lacht viel und erzählt positiv über seine Vormundin. Er war eines von 52 Kindern in unserem Landkreis, das einen gesetzlichen Vertreter an seiner Seite hat. Für diese Aufgabe werden nun zusätzlich Ehrenamtliche gesucht. Heinz brauchte jemanden, der ihn gesetzlich vertritt, da seine Mutter 2016 starb. Ab dann, bis zu seinem 18. Geburtstag in 2021, war seine Vormundin für ihn verantwortlich. Gemeinsam haben sie wichtige Entscheidungen getroffen, z.B. während der Schulzeit Praktika und Nebenjobs gesucht, eine Ausbildung ausgewählt und die Einbürgerung beantragt. Neben diesen offiziellen Dingen blicken sie auch auf viele schöne Erlebnisse zurück wie Eisessen, Ausflüge und Shoppen. Heinz’ Fazit: „Meine Vormundin wollte, dass ich bodenständig werde. Ich finde, dass ist ihr echt gelungen. Wenn ich zurückdenke, finde ich es gut, dass sie auch Nein gesagt hat, z.B. zu Schuhen, die 500 € gekostet hätten. Ich wäre sonst nicht der Mensch geworden, der ich jetzt bin.“ Wir wollen, dass dies alle Kinder in unserem Landkreis sagen * Name von der Redaktion geändert. Ehrenamtliche Vormundschaft/Pflegschaft „CooleOnkel undTanten“gesucht können, die von einem Vormund oder einer Pflegerin betreut werden. Darum suchen wir engagierte Ehrenamtliche, die diese Aufgaben übernehmen. Stefanie Marschalek vom Jugendamt erklärt, was es damit auf sich hat: Wann brauchen Kinder eine Vormundschaft oder Pflegschaft? Kinder können und dürfen nicht alle Entscheidungen alleine treffen. Bis zum 18. Geburtstag übernehmen dies in der Regel ihre Eltern. Sind sie gestorben, krank oder im Ausland, etwa weil das Kind allein aus einem anderen Land geflüchtet ist, braucht das Kind eine Vormundschaft. Wenn Eltern nicht gut für ihre Kinder sorgen, kann das Familiengericht die gesetzliche Vertretung regeln. Bei einer Vormundschaft dürfen Eltern gar nicht mehr entscheiden, bei einer Pflegschaft nur eingeschränkt. Welcher Teilbereich von der Pflegschaft übernommen werden muss, hängt vom Gerichtsurteil ab. Welche Aufgaben sind damit verbunden? Vormünder müssen hauptsächlich entscheiden über � die kindgerechte Unterbringung (nicht im eigenen Haushalt), � medizinische Fragen, zrechtliche Belange des jungen Menschen wie: yBriefe unterschreiben, yschulische Sachen erledigen, yBehördengänge und Anträge stellen, z.B. für Unterhalt oder „Hilfe zur Erziehung“, damit das Mündel in einer Wohngruppe oder bei einer Pflegefamilie leben kann, zTreffen mit Eltern, Geschwistern oder anderen Personen, die dem Mündel wichtig sind, zEinkauf von größeren Anschaffungen, z.B. neues Handy/Prepaidkarte, zalle wichtigen persönlichen Wahlmöglichkeiten des Mündels in: Kita/Schule/Beruf. Entscheidungen im Alltag treffen Vormünder nicht. Wenn es darum geht, wann z.B. das Kind nach Hause kommen soll oder welche Pflichten es im Haushalt hat, sind die Pflegeeltern/ Erzieher:innen/Eltern zuständig. Dadurch sind die Vormünder unbelastet von Alltagskonflikten und können besser grundlegende Fragen mit dem Kind besprechen wie „Was will ich mal werden?“, „Wie will ich mal sein?“. Eine wichtige Aufgabe bei einer Vormundschaft/Pflegschaft ist außerdem, sich für die Interessen des Mündels einzusetzen, z.B. in Zusammenarbeit mit Behörden, Verwaltung oder der Schule. Die gesetzlichen Vertreter sind unabhängig vom Jugendamt und sind immer an und auf der Seite des Kindes. Was ist sonst noch wichtig? Eine gute Beziehung, Beratung und Unterstützung spielen oft eine größere Rolle als formale Entscheidungen. Denn Kinder und Jugendliche brauchen auch jemanden, zder zuhört und der langfristig und verlässlich für sie da ist, zder Vertrauen schafft, zder vermittelt „Du bist gut, so wie du bist“. zder sie in Entscheidungen mit einbindet und der ein Ansprechpartner bei Sorgen und Problemen ist, zder sich kümmert, zder Grenzen aufzeigt und erklärt, zder auch mal Streit aushält. Vormünder sind verpflichtet, sehr regelmäßig Kontakt zu dem Kind oder Jugendlichen zu halten. In der Regel sollen sie sich einmal im Monat treffen. Am Anfang ist es sinnvoll, mehr Zeit miteinander zu verbringen, damit eine Beziehung entstehen kann und gemeinsam gute Entscheidungen getroffen werden. Danach hängen die Art und Intensität der Beziehung davon ab, was und wie viel das Mündel benötigt. Manche wollen mehr Zeit mit einem verbringen und auch Privates besprechen oder gemeinsam etwas unternehmen, andere nicht. Gut zu wissen: Niemand muss privates Geld investieren. Wie werden die Kinder an Entscheidungen beteiligt? Bei Entscheidungen sollte das Mündel entsprechend seinem Alter und Entwicklungsstand mitgenommen werden. Ein Schulkind kann einfach nach seiner Meinung gefragt werden, z.B. auf welche weiterführende Schule es gehen möchte. Wie Eltern müssen auch Vormünder nicht so entscheiden, wie das Kind es gerne hätte. Wichtig ist, dass Vormünder immer das Beste für das Mündel im Blick haben und die Gründe für das Handeln erklären. Was sollte ein ehrenamtlicher Vormund mitbringen? In den meisten Fällen reicht der gesunde Menschenverstand, um ein Mündel zu begleiten. Wichtiger als Vorwissen ist für diese Aufgabe Folgendes: zSie möchten sich langfristig engagieren, am besten bis zur Volljährigkeit des jungen Menschen. zFür den persönlichen Kontakt (mind. einmal im Monat) und anfallende Termine haben Sie genügend Zeit. zSie respektieren andere Kulturen, Religionen und die Herkunft. zSelbstständiges und verantwortungsvolles Handeln ist für Sie selbstverständlich. zIn Themen, mit denen Sie bisher keinen Kontakt hatten (z.B. Entwicklungsverzögerung, Behinderung), sind Sie bereit, sich einzuarbeiten. zBei Schwierigkeiten und Fragen scheuen Sie sich nicht, Beratung zu holen. Heinz hat als ehemaliges Mündel auch noch ein paar Tipps für Vormünder: „Haltet guten Kontakt, aber seid nicht aufdringlich. Vermittelt dem Kind oder Jugendlichen: ‚Ich bin immer für dich da, wenn etwas ist.‘ Die Eltern können nie von einem Vormund ersetzt werden, aber ihr könnt sowas wie eine coole Tante oder ein cooler Onkel sein.“ Interesse? Gerne beantworten wir Ihre Fragen. Vormünder sind unabhängig vom Jugendamt und immer an und auf der Seite des Kindes, am besten lang fristig. Kontakt Jugendamt Stefanie Marschalek (08131) 74-1234 stefanie.marschalek@lra-dah.bayern.de 21 20 Kreis.BLICK! — Juli 2022 Jugend und Familie

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