Edelgard R. (77) genießt: Ganz vorsichtig streichelt sie das weiche braune Fell. Auch dem Labrador Merlin gefällt das und er legt vertrauensvoll seinen Kopf in ihren Schoß. Kein Zweifel, ein schöner Nachmittag. Jede Woche besucht Franziska Hörl mit dem 4-jährigen Merlin die Helios Amper-Klinik Indersdorf. Sie unterstützen Patient:innen, die dort ihre Reha stationär oder ambulant absolvieren. Der Besuch der 4 Pfoten ist ein freiwilliges Zusatzangebot neben der regulären Therapie. Es ist erstaunlich zu sehen, was die Teilnehmer:innen auf einmal schaffen: Peter Z. (82) streckt sich von seinem Rollstuhl, aus um Merlins Pfote zu greifen, und Marianne F. (83) wirft mit Schwung den Softball auf die Kegel. Sie trauen sich, ohne vorher lange darüber nachzudenken. Es macht ja auch Sinn, denn Merlin wartet auf ein Leckerli, den Ball und Streicheleinheiten. Neuropsychologin Sandra Gruber erklärt dazu: „Jede Sitzung aktiviert unsere Patienten in vielen Bereichen, die motorischen und kognitiven Fähigkeiten werden angeregt, die Mobilität gefördert, Ängste und Stress können vermindert werden. Quasi nebenbei besinnt sich jeder auf seine Fähigkeiten.“ Dies war auch der Grund, warum sie und die anderen Therapeuten sich dafür einsetzen, dass in ihrer Reha-Klinik die tiergestützte Aktivierung angeboten wird. Grundsätzlich sind Tiere in einer Klinik nicht erlaubt. Merlin braucht deshalb ein tierärztliches Gesundheitsattest und er muss mit seiner Halterin eine klar geregelte Wegeführung einhalten. An der Sitzung können natürlich nur Patient:innen teilnehmen, die nicht allergisch auf Tierhaare reagieren. Hund und Frauchen bringen Patienten zum Strahlen Seit etwa einem Dreivierteljahr kommen Franziska Hörl und Merlin nun schon nach Markt Indersdorf. Davor machten sie eine 1-jährige Ausbildung zum Therapie-Begleithunde-Team. Frauchen lernte in den Theoriestunden, wie sie mit ihrem Hund verschiedene Arten von Therapien unterstützen kann, und gemeinsam absolvierten sie die Praxisteile. Dabei besuchten sie Altenheime und Kindergärten. Merlin lernte außerdem verschiedenste Gegenstände, Gerüche und Geräusche kennen, damit er im Einsatz zum Beispiel nicht erschrickt, wenn ein Tablett runterscheppert, oder keine Tabletten frisst, die auf dem Boden liegen. Franziska Hörl, die in einer Tierarztfamilie mit vielen Tieren aufwuchs, machte selbst die Erfahrung: Hunde tun einfach gut. Sie hatte Merlin schon mit dem Hintergedanken ausgesucht, diese Ausbildung mit ihm zu machen. Er brachte die Grundvoraussetzungen dafür mit: Er ist aufgeschlossen, wissbegierig, lernt schnell und hat keine Angst. „Merlin ist als Hund unvoreingenommen und nimmt jeden unabhängig von seiner psychischen oder körperlichen Verfassung bedingungslos an. Darum haben wir spätestens am Ende immer lächelnde Menschen. Egal ob wir Ältere mit Demenz oder Einschränkung in der Bewegung unterstützen oder Kinder in der Kita, beim Logopäden oder bei der Traumatherapie.“ So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Patient:innen in der Helios Amper-Klinik Indersdorf nach 45 Minuten alle strahlen und begeistertes Feedback geben. „Ich komme nächstes Mal wieder und werde es auch anderen Patienten empfehlen.“ Mit 4 Pfoten gegen Stress und Angst Helios Amper-Klinik Indersdorf Schnell kann es gehen, vor allem im Alter: Wer heute noch fit ist und alles alleine macht, kann durch einen Unfall oder nach einem Krankenhausaufenthalt plötzlich auf Hilfe angewiesen sein. Betroffene und Angehörige wissen in so einem Fall oft nicht, wie es weitergeht. Seit Mai gibt es für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Landkreis dafür eine zentrale Beratungsstelle: den Pflegestützpunkt. Wie baue ich die Wohnung um, welche Fördergelder stehen mir zu? Was kann ich mit Pflegegrad 3 anfangen? Welche Leistungen kann ich beantragen? Die Reha hat nicht geklappt, wie kann ich die Rückkehr meiner Mutter nach Hause organisieren? – Bei diesen und allen anderen Fragen rund um die Themen Pflege und Behinderung helfen Angelika Keller (Leitung) und Anke Wolf kostenlos weiter. Sie beraten zu den Leistungen und Hilfsangeboten, helfen Anträge auszufüllen und vermitteln bei Bedarf an Spezialist:innen im Landkreis oder in der Nähe. Bei der Eröffnung des Pflegestützpunkts hebt Landrat Löwl die Vorteile hervor: „Wir haben sehr viele Angebote zur Versorgung und Unterstützung bei uns im Landkreis, aber wer kennt die schon alle? Die Mitarbeiterinnen des Pflegestützpunkts nehmen die Menschen an die Hand, finden die besten Dienstleistungen für sie und sparen ihnen damit viel Zeit und lange Wege. Wunderbar, dass dies in zentralen und barrierefreien Räumlichkeiten möglich ist.“ Von der Frage zum Fahrplan Angelika Keller und Anke Wolf haben beide eine Weiterbildung zur Pflegeberaterin und dürfen daher einen Versorgungsplan aufstellen. Angelika Keller erklärt, was es damit auf sich hat: „Am Anfang schauen wir, was alles gebraucht wird. Dann erstellen wir gemeinsam einen Plan, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. Das kann man sich vorstellen wie einen Fahrplan. Wir sind dabei der Lotse und unterstützen auch bei der Umsetzung, können aber keine Pflegekräfte organisieren.“ Anke Wolf hatte bereits ein Beispiel, das ihre Arbeit gut veranschaulicht: „Eine Dame erkundigte sich, wo sie einen Rollator für ihre Mutter organisieren kann. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Seniorin, die noch alleine in ihrer Wohnung lebt, voraussichtlich die Voraussetzungen für einen Pflegegrad erfüllt und das Bad eigentlich auch umgebaut werden müsste.“ Kostenfrei, neutral und unabhängig Die Beratung und Unterstützung durch den Pflegestützpunkt sind kostenlos. Die Mitarbeiterinnen sind mit Beratungsstellen, Kranken- und Pflegekassen, Trägern, Anbietern von VerBeratung zu allen Pflegefragen Pflegestützpunkt sorgungs- und Betreuungsangeboten sowie den Sozialdiensten in den Krankenhäusern vernetzt. Dadurch ist das Angebot neutral und unabhängig. Das spiegelt sich auch in der Organisation und Finanzierung des Pflegestützpunkts wider. Träger ist die Genossenschaft zur Stärkung der gesundheitlichen Versorgung im Landkreis Dachau. Die jährlichen Kosten von circa 200.000 bis 300.000 € werden zu 2/3 von den Pflegekassen und je zu 1/6 vom Bezirk Oberbayern und vom Landkreis Dachau finanziert. Annette Eichhorn-Wiegand, Vorständin der Genossenschaft, und Angelika Keller, bis November 2021 noch im Landratsamt als Demographie-Managerin, haben viel Herzblut und Kraft investiert vom Beschluss des Kreistags 2018 bis zur Eröffnung nun im Mai 2022. Doch sie planen schon wieder Neues: Mit Außensprechstunden in den Gemeinden wollen sie die Angebote noch näher an die Bürgerinnen und Bürger heranbringen. Einfühlsam schaut Franziska Hörl (rechts), wie sie und Merlin den Patienten der Helios Amper-Klinik Indersdorf etwas Gutes tun können. Die beiden unterstützen seit rund einem Dreivierteljahr über die tiergestützte Aktivierung die Therapeuten der Klinik, an der der Landkreis 5,1 % der Anteile hält. 16 Gesundheit/Pflege Nach 2 Mal 45 Minuten Einsatz ist auch Merlin müde. Sicher ist er auch glücklich wegen der vielen Streicheleinheiten und Leckerlis, die er bekam. Kontakt Pflegestützpunkt So erreichen Sie den Pflegestützpunkt: Am Oberanger 14, 85221 Dachau Parkplätze in begrenzter Anzahl vorhanden, auch beim Ärztehaus. Ca. 9 Minuten zu Fuß vom Dachauer Bahnhof (08131) 9995-137 oder -138 Pflegestuetzpunkt@dachauplus.de www.dachauplus.de/pflegestuetzpunkt Kreis.BLICK! — Juli 2022 17
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