Kreis.BLICK!

Wenn die Rente nicht reicht 40 Jahre gearbeitet, immer ge- spart und in der Rente ist das Geld zu wenig zum Leben, an einen Café- oder Theaterbesuch ist gar nicht zu denken – von solchen Schicksalen erfahren die Kolleginnen der Senioren- fachberatung regelmäßig. Die wenigsten suchen aber Hilfe, zu groß ist die Scham, nicht selbst für sich sorgen zu können, als arm zu gelten. „Es weiß keiner, dass ich arm bin, und ich will auch nicht, dass es jemand erfährt“ ist ein oft gehörter Satz bei den Beratungen. Denn während des Berufslebens war das ganz anders. In dieser Zeit hatten viele ein gutes Aus- kommen, die Armut kam erst mit der Rente. Doch das ist kein Einzelschick- sal, in Bayern leben 22 % der Rentner in Armut oder sind von Armut gefähr- det. Sie haben damit maximal 60 % des durchschnittlichen Nettoeinkom- mens pro Monat. Bei Alleinstehen- den liegt diese Grenze bei 1.074 € bei Paaren bei 1.611 €. Auch in unserem Landkreis gibt es viele Senioren, die nur sehr wenig Rente pro Monat erhal- Im Blick!punkt Senioren ten. So bekamen im Januar dieses Jah- res 447 Personen über 65 Jahre monat- lich finanzielle Unterstützung über die Grundsicherung im Alter. Für die zu- meist unverschuldete Armut im Alter gibt es mehrere Faktoren (siehe Info- kasten). Was auch immer der Auslöser ist, für jeden bietet die Seniorenfach- beratung im Landratsamt Unterstüt- zung an. Gemeinsam wird geschaut, wie die Gesamtsituation ist, denn es gibt viele verschiedene Hilfen. Dann klären die Kolleginnen mit anderen Fachbereichen im Landratsamt ab, ob ein Anspruch auf eine bestimmte Leis- tung besteht, und helfen, den Antrag zu stellen. Hilfen zum Lebensunterhalt Wenn die Rente monatlich nicht für Wohnen, Essen und Kleidung ausreicht, dann gibt es Hilfen, auf die man einen recht- lichen Anspruch hat. „Das sind keine Almo- sen, sondern Gelder, die vom Staat genau für sol- che Fälle vor vielen Jahren eingeführt wurden“, erklärt Silvia Fitterer von der Senio- renfachberatung. Dazu gehören in ers- ter Linie die Grundsicherung im Alter und das Wohngeld. Auch rund um die Pflege gibt es viele gesetzliche Leistun- gen: Pflegegeld, Landespflegegeld und die Hilfe zur Pflege im häuslichen Be- reich. Letztere ist für Menschen, die zwar noch keinen Pflegegrad 2 haben, aber dennoch schon Unterstützung im Haushalt brauchen, zum Beispiel beim Einkaufen und Saubermachen. Zu- sätzlich gibt es die Möglichkeit, eine Zuzahlungsbefreiung bei der Kran- kenkasse zu beantragen. Nicht wenige Rentner leben in Armut. Vor allem bei Frauen ist die Rente oft zu gering zum Leben. MARIA * ist 79 Jahre. Sie ist geschieden, hat ein erwachsenes Kind. 45 Jahre arbeitete sie als Friseurin. Jeden Cent sparte sie, als sie noch arbeitete, um sich eine kleine Eigentumswohnung zu kaufen. Miete muss sie darum jetzt keine bezahlen. Ihre Rente ist aber so gering, dass sie gerade so für die Neben- kosten und zum Leben reicht. Als der Kühlschrank nicht mehr funktionierte, konnte sich Maria keinen neuen kaufen, obwohl sie ihr ganzes Leben ge- spart hat. Die Seniorenfachberatung hat ihr für den Kauf eine Unterstüt- zung organisiert. Hilfen für bestimmte Themen In der Seniorenfachberatung gibt es auch Hilfe, wenn das Geld nur für eine bestimmte Anschaffung nicht vorhanden ist, beispielsweise für eine neue Brille oder Waschmaschi- ne. Dafür arbeitet das Landratsamt mit externen Stiftungen und Ver- einen zusammen. Manchmal findet sich das Gesuchte auch im Tausch- und Verschenkmarkt Dachau unter www.verschenkmarkt-dachau.de . Für Lebensmittel wird der Kontakt zur Dachauer Tafel vermittelt, die kostenlos Lebensmittel abgibt, oder zur Aktion „Mahlzeitenpatenschaft“ der Malte- ser. Die beiden Beraterinnen haben noch viele weitere Tipps, die den Geldbeutel schonen. Zum Bei- spiel zeigt die kostenlose Ener- gieberatung der Verbraucher- zentrale Bayern, wie einfach bei Strom und Wärme etwas Geld gespart werden kann. Wege aus der Einsamkeit Wenn das Geld fehlt, gehen manche Rentner nicht mehr unter die Leute. Sie vereinsa- men, weil sie sich den Kaffee und Kuchen oder die Fahrt zu einem Treffen nicht leisten können. Das muss nicht sein. Wer Grundsicherung erhält, kann einen Landkreispass bean- tragen und mit diesem die kostengüns- tige IsarCard S (Sozialticket) nutzen, um Bus und Bahn zu fahren. Auch auf ein geselliges Beisammensein braucht niemand verzichten. In fast allen Gemeinden werden kostenlose Seniorenkreise oder Seniorennachmit- tage organisiert. Einfach im Rat- haus, Pfarramt oder bei der Se- n iorenber at ung im Landratsamt nachfragen, sobald solche Veranstal- tungen wegen der Corona-Pandemie wie- der möglich sind. Eben- falls in fast jeder Gemeinde gibt es einen Bäcker oder Metz- ger, der an der Herzbrettl-Aktion des Landratsamts teilnimmt. Das heißt, am Herzbrettl hängen Kassenzettel für einen Kaffee oder vieles andere, das je- mand anderes schon bezahlt hat. Hier darf jeder zugreifen und sich über das Geschenk freuen. Selbst ein Theater- oder Konzertbesuch kann ermöglicht werden. Dafür stellt der Dachauer Verein Kulturloge kostenlose Tickets zur Verfügung. „Rentner, bei denen das Geld knapp ist, sollen sich gerne bei uns melden. Wir unterstützen auch, wenn jemand das Gefühl hat, eine Nachbarin oder ein Freund braucht in dem Bereich Hilfe. Dadurch, dass wir der Schwei- gepflicht unterliegen, erfährt niemand anderes von dem Gespräch“, infor- miert die Seniorenfachberaterin El- friede Felkel. Aus Erfahrung weiß sie: „Gemeinsam finden wir wirklich für jedes Problem eine Lösung.“ * Namen und Hintergründe der beiden Beispiele entsprechen keinem konkreten Sachverhalt aus der Beratung. Beratungen werden absolut vertraulich geführt und Inhalte daraus weder an Dritte noch öffentlich weitergegeben. Die Beispiele sind aber typisierende und durchaus realistische Lebenssituationen. HEINZ * ist 75 Jahre. Er war Helfer auf dem Bau, bis er mit 55 einen Schlaganfall hatte und dann nicht mehr arbeiten konnte. Seine Frau INGRID * ist 68. Sie arbeitete viele Jahre nur in Teilzeit als Verkäuferin, da sie die drei Kinder großzog. Ingrid ist noch fit. Darum hatte sie ab der Rente einen Minijob als Spülerin in einem Restaurant. Wegen Corona wurde ihr der Vertrag gekündigt. Dann kam noch eine Mieterhöhung. Das Ehepaar aß über viele Wochen nur günstige Lebensmittel wie Kartoffeln, Nudeln und Brot, manchmal hungerte es auch. Mit der Hilfe der Seniorenfachbera- tung haben die beiden Grundsicherung im Alter beantragt. Jetzt kommt wieder Gesundes auf den Tisch. Krankheit Ein Unfall oder eine schwere Krankheit kann das Berufsleben ganz plötzlich beenden. Betroffene erhalten dann zuerst eine Erwerbsun- fähigkeitsrente. Die bis zur Rente fehlen- de Arbeitszeit wird dadurch bei Weitem nicht ausgeglichen, entsprechend gering fällt dann die Altersrente aus. Der zweite Armutsbericht des Landkreises Dachau zeig- te, dass über die Hälfte der Empfänger von Erwerbsunfähigkeitsrente in unserem Land- kreis von der Altersarmut betroffen sind und Grundsicherung erhalten. Wohnen Der Landkreis Dachau liegt bei der Kauf- kraft inDeutschland auf Platz 10 aller Krei- se und Städte. Das zieht viele Menschen hierher und die Mieten steigen und stei- gen. Am teuersten pro Quadratmeter sind kleine Wohnungen, und ge- nau in solchen wohnen ältere Menschen. Damit geht im- mer mehr von der Ren- te für die Miete drauf. Berufsleben Es gibt einen direkten Zusammen- hang: Wer wenig verdiente im Berufs- leben, der erhält eine noch geringere Rente. Davon sind alle betroffen, die über viele Jahre in Niedriglohnjobs arbeiteten, zum Beispiel als Paketboten, Friseure, Reinigungskräfte, Service- kräfte in Restaurants und Hotels. Auch Leiharbei- ter, Teilzeitbeschäftigte unter 20 % und Minijob- ber habe nur niedrige Renten zu erwarten. Armut im Alter ist immer noch vorwiegend ein Problem der Frauen. Sie haben früher oft nur wenig oder zeit- weise gearbeitet, weil sie sich viele Jahre um Kinder und pflegebedürftige Angehörige gekümmert haben. Ihre geringen Rentenbezüge konnte auch die Einführung der „Mütterrente“ und die damit erfolgte rentenrechtliche Anerkennung von Kin- dererziehungszeiten nur geringfügig verbessern. Auch manche Selbstständige fallen im Alter unter die Armutsgrenze. Diese müssen ganz eigenständig für ihre Rente vorsorgen, am Monatsende bleibt dafür aber nicht immer genug Geld übrig. Grund dafür sind zum Beispiel hohe Investitionskosten oder wie jetzt monatelange Ver- dienstausfälle aufgrund der Corona-Pandemie. Warum werden Menschen in der Rente arm? 15 Kreis. BLICK ! — März 2021 14 Sie haben Fragen oder brauchen Hilfe? Dann vereinbaren Sie bitte einen Ter- min, wir nehmen uns Zeit für Sie! Elfriede Felkel & Silvia Fitterer (08131) 74-465 oder -464 seniorenberatung@lra-dah.bayern.de Kontakt Seniorenfachberatung

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