Kreis.BLICK!
Die Spirale der Gewalt Häufig findet häusliche Gewalt nach einem bestimmten Muster statt, welches sich immer wiederholt und zum Teil verschlimmert. Dies nennt man die Spirale der Gewalt. Das Muster läuft oft wie folgt ab: Spannung In der Beziehung bauen sich Spannungen und Aggressionen auf. Ein kleiner, vermeintlich nichtiger Auslöser, zum Beispiel Brösel auf dem Küchentisch oder ein „falscher“ Blick, lösen den nächsten Schritt aus. Es kommt zu einem Ge- waltausbruch. Gewalthandlung Der eine Partner baut emotionalen Druck durch eine Gewalthandlung (z.B. Schläge, Tritte, Würgen, …) ab. Entsetzen Beide Partner sind entsetzt: Der Täter, weil er die Selbst- kontrolle verloren hat und das Opfer, weil es diese Gewalt erfahren musste. Reue Der Täter empfindet starke Reue, bittet um Entschuldi- gung, beschenkt das Opfer, usw. Verliebtheit Es setzt eine neue Art von Harmonie und Verliebtheit zwi- schen den Partnern ein, so wie es sie vorher nicht gegeben hat. Schuldfrage Die emotionale Spannung lässt nach. Der Täter vergisst langsam die eigenen Schuldgefühle und eine Teilschuld wird dem Opfer zugewiesen, welches diese auch annimmt und dadurch sehr verunsichert ist. Spannung Allmählich bauen sich wieder neue Spannungen und Aggressionen auf. Gewalthandlung Ein geringer Anlass führt wieder zu einer Gewalthandlung. Drohungen, Kränkungen und körperliche Gewalt wech- seln sich also mit Reue, Entschuldigungen, Versöhnung und Hoffnung auf Besserung ab. Das Muster verfestigt sich und kann nur schwer durchbrochen werden. In den meis- ten Fällen braucht es Hilfe von außen. Folgen der Gewalt Für die Betroffenen hat dies schwere Folgen. Neben der akuten körperlichen Verletzung leiden sie häufig unter ver- schiedensten psychischen und körperlichen Symptomen Im BLICK!punkt wie Angstzuständen, Schlafstörungen, Depression, Miss- trauen, Gefühl der Beschmutzung, Scham- und Schuldge- fühle, niedriges Selbstwertgefühl, Essstörungen. Oft sind die Opfer langfristig traumatisiert. Die Gewalt zwischen den Eltern ist natürlich auch für die Kinder sehr schlimm. Selbst wenn sie von der Gewalt nicht direkt betroffen sind, also selbst nicht geschlagen werden, wirkt sich dies doch auf ihre Entwicklung aus. Sie zeigen die gleichen Störungen wie Kinder, die direkt misshan- delt werden. Sie befinden sich die ganze Zeit in einem Stresszustand, da sie Angst um ihre direkte Bezugsper- son, meistens die Mama, haben müssen. Die Kinder ent- wickeln häufig Schlafstörungen, Ängste, Depressionen, Entwicklungsverzögerungen, niedriges Selbstwertgefühl, Aggressivität und Konzentrationsprobleme. Wege zur Ruhe Niemand muss Gewalt in seiner Partnerschaft erdulden. Durch das Gewaltschutzgesetz des Bundes sind die Rechte der Opfer gestärkt worden. Wenn zum Beispiel ein Streit eskaliert und die Polizei gerufen wird, kann der gewalttä- tige Partner für ein paar Tage aus der Wohnung verwiesen werden. Zusätzlich kann die Polizei vor Ort ein Kontakt- und Annäherungsverbot von wenigen Tagen bis zu drei Monaten aussprechen. Dies ist oft ein wichtiger Zeitraum für das Opfer, um erst einmal zur Ruhe zu kommen und sich zeitnah über weiter Schritte beraten zu lassen und die- se einzuleiten. Unsere Dachauer Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt (DISTEL) berät, unterstützt und beglei- tet kostenfrei Frauen und Männer, die die Gewalt zu Hause beenden wollen. (shk, if ) Die Leiterin von DISTEL, Susann Haak-Georgius, erklärt, wie Betroffenen geholfen werden kann. Gibt es Faktoren, die besonders häufig zu häuslicher Gewalt führen? Wir beraten und begleiten hauptsächlich Frauen. Sie sind aus verschiedensten sozialen Schichten und aus allen Ge- meinden des Landkreises. Besonders hoch ist nach unse- rer Erfahrung das Risiko für Frauen während der Tren- nungsphase. Wie weiß man denn, ob das, was der Partner mit einem macht schon Gewalt ist oder nicht? Generell lässt sich sagen, dass Gewalt mit Absicht passiert und weh tut, körperlich oder seelisch. Jeder empfindet das anders, aber es geht nur darum, was sich für den Be- troffenen falsch anfühlt. Wann sollen sich Betroffene bei Ihnen melden? Am besten sofort, nach dem ersten Mal, wenn der Part- ner gewalttätig wurde. Damit die Spirale erst gar nicht beginnt, bieten wir sehr schnell einen Beratungstermin an. Auch wenn jemand nicht sicher ist, ob er Gewalt er- lebt hat, soll er sich bei uns melden. Leider nehmen viele Frauen von sich aus Scham und Schulgefühlen keine Hil- fe in Anspruch. Wie unterstützen Sie? Wir beraten zu wirklich allen Aspekten in Zusammen- hang mit häuslicher Gewalt. Natürlich unterliegen wir der Schweigepflicht. Niemand muss Angst haben, dass wir mit dem Partner darüber reden. Auch nicht, wenn er anruft und nachfrägt. Oft sind die Betroffenen sehr verunsichert und sind in der Gewaltspirale schon einige Jahre gefangen. Betroffene bekommen sehr schnell einen Termin bei uns im Büro oder auf Wunsch auch an einem anderen neut- ralen Ort. Manchmal können wir auch schon am Telefon erste Hilfestellungen geben. In unseren umfassenden Bera- tungen werden die Frauen an dem Punkt aufgefangen, an dem sie stehen. Wir nehmen uns Zeit, hören zu und zeigen mögliche Schritte auf, darunter auch passende Hilfsange- bote für die Kinder. Danach kann die Frau entscheiden, wie es weitergeht. Meistens begleiten wir die Betroffenen auch über einen längeren Zeitraum. Welches sind die wichtigsten Themen in Ihren Beratungen? Als aller erstes schlagen wir Möglichkeiten zum Schutz vor dem gewalttätigen Partner vor. Das kann zum Beispiel die sechsmonatige Verlängerung des Kontakt- und Annähe- rungsverbots über das Gericht sein oder die Vermittlung in ein Frauenhaus. Wichtig ist uns auch, das Opfer persön- lich zu stärken. Keiner ist Schuld, dass er Gewalt erfährt. Daneben helfen wir auch überall da, wo Hilfe benötig wird, zum Beispiel bei Anträgen für Ämter und der Woh- nungssuche. Durch dieses umfassende Hilfsangebot haben es schon viele Frauen geschafft, ihre von Gewalt geprägte Lebenssituation Schritt für Schritt hinter sich zu lassen und einen neuen positiveren Lebensabschitt zu beginnen. stoßen, schlagen, treten, würgen, fesseln, verbrennen, verbrühen, mit Dingen oder Waffen verletzten oder bedrohen… ver- gewaltigen, zu sexuellen Handlungen nöti- gen durch Erpressung (androhen, den Partner bei Freunden schlecht zu machen, die Kinder zu misshandeln, …), als Sexobjekt behandeln, zum Ansehen von Pornos zwingen… Kontakte überwachen oder verbieten, von anderen isolieren, Telefongespräche kontrollieren… Arbeit verbieten oder dazu zwingen, Geld verweigern oder zuteilen, Ausgaben kontrollieren… einschüchtern, beleidigen, drohen, demütigen, erniedrigen, für verrückt erklären… Macht und Kontrolle Ö k o n o m i s c h e G e w a l t P s y c h i s c h e G e w a l t S o z i a l e G e w a l t P h y s i s c h e G e w a l t S e x u a l i s i e r t e G e w a l t Häusliche Gewalt hat viele Gesichter Grafik angelehnt an das DAIP-Modell (Domestic Abuse Intervention Projekt), Pence/Paymar 1983 Liebe, Vertrauen, gegenseitiger Respekt - das sollte die Basis einer Partnerschaft oder Familie sein. Doch manchmal sieht die Realität zwischen Menschen, die sich nahestehen, ganz anders aus: Drohungen, Schläge oder Zwang zum Ge- schlechtsverkehr bestimmen den Alltag. Bei häuslicher Gewalt will der eine Partner Macht und Kon- trolle über den anderen Partner haben. Wie unterschiedlich die Gewalt zu Hause sein kann, haben wir in der Informa- tionsgrafik zusammengestellt. Sie kommt in allen sozialen Schichten, in allen Altersklassen und allen Nationalitäten vor. In den meisten Fällen werden Frauen Opfer von häus- licher Gewalt. In Deutschland erleidet dies jede vierte Frau im Laufe ihres Lebens. Liebe darf nicht weh tun (08131) 74-344 distel@lra-dah.bayern.de Kontakt DISTEL 20 21 Kreis. BLICK ! — September 2020
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