Kreis.BLICK!

Mia kam als Baby in ein Münchner Heim. Bei ihren Eltern konnte sie nicht bleiben – sie sind alkoholkrank. Mias Rettung war Familie Müller, die sich bei unserem Jugendamt für ein Pf legekind beworben hatte. Veroni- ka Müller kannte das Leben mit einem Pf legekind aus der eigenen Jugend, hatte es in ihrem näheren Umfeld miterlebt – und war positiv angetan. „Das Pf legekind war voll integriert und immer bei allem dabei. Es war schön zu sehen, wie gut dieses Verhältnis war.“ Veroni- ka Müller und ihr Mann Christian hatten bereits zwei leibliche Söhne, Michael und Max, und wünschten sich noch mehr Kinder. Als Veronika ihren Mann mit der Idee eines Pf legekindes konfrontiert hatte, musste er sich erst mit dem Gedanken auseinandersetzen. „Ich habe mich gefragt, ob ich ein fremdes Kind genauso lieben kann wie meine eigenen.“ Etwa ein Jahr lang grü- belte Christian Müller – dann sagte er: ja. „Wir möchten einem Kind die Normalität geben, die eigentlich jedes Kind verdient hat.“ Das macht auch Familie Schweiger. Das Paar hat zwei eigene, inzwischen fast erwachsene Söhne, ein Langzeit- pf legekind sowie immer wieder Bereitschaftspf legekinder - neun in den vergangenen elf Jahren. Die meist noch sehr kleinen Kinder blieben maximal zweieinhalb Jah- re bei den Schweigers. Manchmal gar nur wenige Tage. Denn die Familie steht auch im Notfall bereit, wenn ein „Papa, bekomme ich ein Eis?“ Wenn die kleine Mia ihrem Papa bettelnd in die Augen schaut, um dann freudestrahlend das Geld für eine Kugel Schoko- eis entgegen zu nehmen, würde keiner auf die Idee kommen, dass Christian Müller (alle Namen geän- dert) nicht der leibliche Vater der Fünfjährigen ist. Denn Mia ist ein Pflegekind und wächst, seitdem sie acht Wochen alt ist, bei Familie Müller auf. Sie ist eines von etwa 60 Kindern, die von unserem Ju- gendamt in einer Pflegefamilie im Landkreis Dach- au untergebracht wurden. Grundsätzlich kommen sowohl Paare als auch Einzelpersonen als Pfleger in Frage. Für manche Kinder ist es jedoch wichtig, dass sie Pflegemutter und Pflegevater im Alltag erleben können. Der Alters- abstand zwischen Pflegekind und -eltern sollte bei einem langfristig angelegten Pflegeverhältnis natürlich sein. Bei der Vermittlung eines Pflegekindes ist es von Vorteil, wenn es mindestens zwei Jahre jünger ist als das jüngste Kind der Familie. Die familiären Beziehungen müssen belastbar sein, um dem Kind Sicherheit vermitteln zu kön- nen. Neben ausreichendem Wohnraum, einer finanziell gesicherten Situation und genügend Zeit sind vor allem persönliche Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Flexibilität sowie Reflexi- onsfähigkeiten erforderlich. Im Interesse des Kindes ist ein wertschät- zender Umgang mit den leiblichen Eltern unabdingbar. Pflegeeltern gesucht! Wie helfen wir? � Beratung der Pflegeeltern. � Vermittlung und Begleitung des Kindes/Jugendlichen. � Regelmäßige Hilfeplanung mit allen Beteiligten. � Teilnahmemöglichkeit an einer monatlich stattfindenden Pflegeelterngruppe. � Supervision für die Pflegeeltern. � Zahlung von Pflegegeldleistungen, gestaffelt nach dem Alter und gegebenenfalls dem besonderen Bedarf des Kindes. Das Pflegegeld setzt sich aus dem Unterhalt für das Kind und einem Beitrag für die erzieherische Leistung zusammen. � Zuschuss zur Rentenversicherung für die Pflegeperson (bei Vollzeitpflege). � Veranstaltungen für Pflegeeltern und -familien, zum Beispiel Fortbildungen. Wenn Sie sich für ein Pflegekind interessieren, melden Sie sich bei uns. Wir freuen uns auf Sie! Ein Kind, zwei Mamas, zwei Papas Pflegeeltern Kind schnellstmöglich aus seiner Familie herausgeholt werden muss. Dann sind die Kleinen nur so lange bei Schweigers, bis eine Adoptions- oder Langzeitpf legefami- lie gefunden ist oder das Kind zu den leiblichen Eltern zurückkehrt. Sara Schweigers Langzeitpf legekind Roman war erst sieben Tage auf der Welt, als er zu der Familie kam. Heute ist er neun Jahre alt und fühlt sich pudelwohl – auch mit den immer wieder wechselnden „Geschwister- kindern“ in der Familie. Gerade wohnt der dreijährige David bei ihnen – wie lange, ist unklar. Aber er genießt die Zeit, ebenso wie die Familie. „Die Kinder geben mir mehr, als ich ihnen gebe“, sagt Sara Schweiger. Meistens fühlen sich die „kleinen Notfälle“ sofort wohl. „Wir hat- ten noch nie ein Kind, dass nach seiner Mama geweint hat. Sie sind einfach froh, wenn sie Ruhe finden können und endlich mal Kind sein dürfen.“ Alle Menschen, die ein Kind in Pflege nehmen möchten, wenden sich an die Sozialpädagoginnen des Adoptions- und Pflegekinderfachdienstes, mit denen sie Gespräche zu verschiedenen Themenbereichen führen. Zudem nehmen sie an einem Seminar teil. Dann beginnt das Warten – das von einer Sekunde auf die andere beendet sein kann. Das Telefon klingelt, und los geht’s. Das Jugendamt fragt bei den Pflegeeltern an, informiert sie über das Kind, für das eine Pflegestelle gebraucht wird, und die Pflegeeltern ent- scheiden, ob sie es aufnehmen können und wollen. Veroni- ka Müller zum Beispiel entschied sich für eine Aufnahme und holte ihr Pflegekind Mia im Kinderheim ab – da wa- ren ihre Söhne zwei und drei Jahre alt. „Es war sehr auf- regend und schön“, erinnert sie sich. Inzwischen lebt Mia seit fünf Jahren bei den Müllers. „Sie bringt richtig Pfiff in unsere Familie. Die eigenen Kinder haben unsere Gene und ticken gleich. Mia hat einen ganz anderen Charakter und bringt ordentlich Pfeffer rein“, sagt Veronika Müller lachend. Mia ist nicht altersgemäß entwickelt und braucht viel Unterstützung und Förderung. Wie viele Pflegekinder hat auch sie Kontakt zu ihren leiblichen Eltern, die sie in Begleitung in den Räumen des Pflegekinderfachdienstes sieht. „Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt funktio- niert wunderbar“, sagt Veronika Müller. Mia nennt ihre Pflegeeltern Mama und Papa, ihre leiblichen Eltern Mama Silke und Papa Steffen. Mia weiß auch, dass sie nicht im Bauch ihrer Mama war. Die Müllers gehen mit der Situa- tion sehr offen um. Trotz des behüteten Umfelds, in dem Mia aufwachsen kann, wird ihr vielleicht eines ein Leben lang bleiben: Verlustangst. Das haben viele Pflegekinder gemein – egal wie gut und sicher sie bei ihren Pflegeeltern leben. Wichtig für Pflegekinder und ein gelingendes Pfle- geverhältnis ist die enge und vertrauensvolle Zusammen- arbeit von Pflegeeltern und Jugendamt. Familie Schweiger wird weiterhin hilfebedürftigen Kin- dern ein kurzzeitiger Rettungsanker sein, Familie Müller würde gerne ein weiteres Pf legekind aufnehmen. Denn auch Christian Müller weiß inzwischen: „Man kann ein fremdes Kind tatsächlich lieben wie sein eigenes.“ 6 7 Kreis. BLICK ! — 5 — September 2019 Jugendamt Landratsamt Dachau Adoptionsvermittlung und Pflegekinder Augsburger Straße 61 85221 Dachau Telefon 08131 / 74-1200 jugendamt@lra-dah.bayern.de Kontakt Adoptionsvermittlung und Pflegekinder

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