Kreis.BLICK!
Einer von Ju- lias Mitbewoh- nern ist Tobias Reineck. Der 27-Jährige arbeitet im Schönbrunner Seniorenwohnheim. Jeden Tag fährt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Er betreibt G-Judo, also Judo für Menschen mit einer geistigen Behinderung in Feld- moching, und besucht gerne Lokale in der Dachauer Altstadt. So wie Ju- lia: „Ich gehe gerne in die Altstadt und kenne schon viele Leute dort.“ Genau so soll es sein. „Alle im Team setzen auf Selbstbestimmung. Wir sind nur die Assistenten“, berichtet Annette Scharf, die Leiterin der Dachauer Wohn- gemeinschaften. „Dabei ist natürlich die Lage von Vor- teil, denn viele Ziele sind zu Fuß erreichbar.“ Auch Nicos Langenba- cher ist viel unterwegs. Der 34-Jährige lebt zu- sammen mit vier Frauen und fünf Männern im Alter zwischen 30 und 47 Jahren in einer Petershaus- ener Wohngemeinschaft. Vor vier Jahren ist er von Schönbrunn nach Pe- tershausen umgezogen. Mit dem Pro- jekt „Wohnen wie ICH es mag“ sollen Menschen mit Behinderung darin un- terstützt werden, sich selbstständiger zu machen und in eine der Wohnfor- men in der Region zu ziehen. Und das hat Nikos gemacht: „Ich wollte mal was Anderes kennenlernen“, sagt er und lacht. Nicos fühlt sich zu Hause. Er arbeitet in der Schreinerei Schön- brunn. Täglich fährt er vom nahe gelegenen S-Bahnhof per Zug nach Röhrmoos und mit dem Bus weiter Alleine und doch zusammen – Das ist gelebte Inklusion Außergewöhnlich wohnen im LandkreisDachau In unmittelbarer Nähe zu unserem Landratsamt befinden sich be- sondere Wohngemeinschaften (WG): Menschen mit einer geisti- gen Behinderung leben im Neubau am Bürgermeister-Zauner-Ring Tür an Tür mit unserem Jugendamt, der Sparkasse, dem Jobcen- ter und weiteren Mietern. Ein ganzes Stockwerk hat das Franzis- kuswerk Schönbrunn in dem zentral in Dachau gelegenen Neubau angemietet. Aufgeteilt auf drei WGs wohnen hier 18 Menschen mit Assistenzbedarf. Eine davon ist die 23-jährige Julia Wülferth. Sie fühlt sich wohl in ihrer WG: „Ich kann mich zurück- ziehen, wenn es mir nicht gut geht. Wir sind aber auch oft zusammen und gehen gemeinsam aus. Das sind nicht nur meine Mitbewohner, sondern auch meine Freunde.“ Sie lebt zusammen mit neun Freunden in einer der drei Wohngemeinschaften am Bürgermeister-Zauner-Ring. Alle Zimmer liegen auf der Gebäudesüd- seite mit Blick auf die Dachauer Alt- stadt. „Hier ist es deutlich ruhiger als zur Straße hin“, erklärt Sigrun Wed- ler, Sprecherin des Franziskuswerkes. Jeweils zwei Personen teilen sich ein nach Schönbrunn. Abends der gleiche Weg zurück. Sein Zim- mer unterm Dach des gro- ßen Hauses hat sich Nicos gemütlich e i n g e r i c h t e t , seinen Tisch hat er selbst ge s ch rei ner t . Als Löwen-Fan schläft er in 1860-Bettwäsche, an den Wänden hängen Fotos und Band-Poster – er steht auf Heavy Metal. Die Aufgaben, die zu einer Wohngemeinschaft ge- hören, sind verteilt – je nach Fähig- keiten und Vorlieben. Nicos geht am liebsten zur Bäckerei einkaufen. In Pe- tershausen ist er bekannt, schließlich spielt er auch Trommel in der Blaska- pelle Petershausen. Im Keller der WG steht Nicos‘ Schlagzeug. Ebenfalls im Haus befindet sich eine Einliegerwohnung. Hier wohnt ein Ehe- paar im so genannten „ambulant beglei- teten Wohnen“, das lediglich ab und zu auf ambulante Hilfe angewiesen ist. Bad mit Waschbecken, Dusche und Toilette, das bequem zwischen ihren Zimmern liegt und von beiden Seiten Türen hat. Zudem hat jedes Zimmer Zugang zur großen Dachterrasse, auf der im Sommer regelmäßig gegrillt wird. Das Badezimmer mit Wanne, die gemeinsamen Wohnzimmer, die Büros der Assistenten sowie die gemüt- lichen Wohnküchen befinden sich auf der Nordseite mit Blick auf die Stra- ße. In den Küchen wird einmal täg- lich gemeinsam gekocht, eine Wand schmückt eine überdimensionale Ma- gnetwand. Auf dieser wird die Woche organisiert: Wer muss abspülen? Wer hat Einkaufsdienst? Und wann ist wel- cher Assistent da? Alle Infos finden sich hier auf einen Blick. 11 Kreis. BLICK ! — 3 — März 2019 10 Serie Das Franziskuswerk Schönbrunn ist eine der größten Einrichtungen für Menschen mit einer geistigen oder mehrfachen Behinderung in Bayern. In verschiedenen Berei- chen für jedes Lebensalter und jeden Lebensbereich macht die Einrichtung differenzierte und individuelle Dienstleistungsange- bote mit dem Ziel, Teilhabe an der Gesellschaft und ein selbst- bestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu gehören u.a. unterschied- liche Wohnformen in der Region. Unter dem Titel „Wohnen in der Region“ liegen die Wohnungen deshalb mitten in der Stadt oder im Dorf, in einer Doppelhaushälfte, einem Haus oder auch in einem Mehrfamilienhaus. Das Assistenzangebot des Franziskuswerks richtet sich nach den Anforderungen der dort lebenden Menschen. Derzeit gibt es insgesamt 72 WGs, davon sind 56 in Schönbrunn. Die ausgelagerten Wohneinheiten sind quer über den Landkreis verteilt, unter anderem in Dachau, Petershausen, Röhrmoos, Vierkirchen, Hilgertshausen, Markt Indersdorf, Niederroth und Stetten. Interessenten wenden sich gerne an die Aufnahmekoordination des Franziskuswerks, erreichbar unter 08139/800-8116 bzw. aufnahmekoordination@ schoenbrunn.de In Nicos´ und Julias WG ist bis auf nachts immer ein Ansprechpartner im Haus und hilft, wenn er gebraucht wird. Aber nur dann. Denn es geht um Selbstbestimmung. Und wie glücklich das macht, sieht man unter anderem am Beispiel dieser beider WGs. In diesem Haus in Petershausen fühlen sich die Bewohner sehr wohl. Bei Fragen zum Thema Inklusion ist unsere Stelle für Familienbera- tung, Gleichstellung und Inklu- sion der richtige Ansprechpartner. Bürgermeister-Zauner-Ring 11, Nebengebäude 85221 Dachau Tel: 08131/74-375 fbgi@lra-dah.bayern.de Kontakt Julia Wülferth und Tobias Reineck in ihrem Wohnzimmer. Nicos Langenbacher in seinem WG-Zimmer.
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