Kreis.BLICK!

12 13 Kreis. BLICK ! — 1 — September 2018 Im BLICK ! punkt die Großnichte der k. und k. Hoffriseuse der Kaiserin war. Von ihr habe ich sehr viel erfahren, das ich zuerst für einen Erzählabend „Ludwigs Lust und Sisis Sünd“, zusammen mit meinem Erzählpartner Walter Stelzle, und später in meinem Buch: „Die wilde Kaiserin“ verarbeiten konnte. Das ist ja eine wirklich einzigartige Quelle… Pfeiffer: Ja. Denn die Kaiserin wurde drei Stunden täglich fri- siert. Sie hatte ihr Leben lang kniekehlen- oder gar fersenlan- ge Haare und das Frisieren dauerte drei Stunden. Sie hat viel Wert daraufgelegt, gut frisiert zu sein und war schlecht ge- launt, wenn sie es nicht war. Es durften ihr auch nicht zu viele Haare ausfrisiert werden. Sisi hat sich auf einem Silbertablett die ausfrisierten Haare zeigen lassen. Meine Nachbarin hat mir erzählt, dass sich ihre Großtante einen Trick ausgedacht hatte: Sie trug ein Klebeband unter der Schürze und ließ die ausfrisierten Haare dort verschwinden. Dann konnte sie ihr fast immer ein leeres Tablett zeigen, was die Freundschaft der beiden Damen sehr gefördert hat… (lacht). Die Kaiserin ließ sich zwar beim Frisieren oft vorlesen und hat Briefe diktiert, aber es blieb auch viel Zeit zum Plaudern. Es gab vieles, von dem die Großtante wusste, auch intime Geheimnisse... Jetzt wird es interessant… Pfeiffer: Ja. Sie wusste zum Beispiel, dass Sisi tätowiert war. Es ist zwar bekannt, dass sich Sisi im Alter von 51 Jahren bei einer Mittelmeerreise einen Anker auf das linke Schul- terblatt hat stechen lassen, weil ihr die Tätowierungen der Matrosen so gut gefallen haben. Aber sie hatte auch einen Adler oberhalb ihres Gesäßes. Die Hoffriseuse hat ihn angeblich gesehen. Der Hintergrund ist: Sisi war eng be- freundet mit König Ludwig II. von Bayern. Die beiden ha- ben sich manchmal auf der Roseninsel im Starnberger See getroffen. Ludwig las seiner Sisi zum Beispiel im Indianer- kostüm aus dem „Lederstrumpf“ vor. Sisi hatte sogar Zu- gang zur Roseninsel, wenn der König nicht da war. Einmal hat sie ihm ein Gedicht hinterlegt. Darin bezeichnete sie sich als die „Möwe der See“ und ihn als „Adler der Lüfte“. Ludwig hat im gleichen Stil geantwortet. Deswegen wollte sie ihn mit einem tätowierten Adler überraschen. Was hat ihr Mann, Kaiser Franz Joseph, zu den Tätowierungen gesagt? Pfeiffer: Er war entsetzt und hat seine Tochter gefragt, ob sie schon geweint habe über diese schreckliche Neuigkeit. Das hat die Marie Valerie in ihr Tagebuch geschrieben. Da ging es aber um den Anker. Von dem Adler wusste lange niemand etwas. Den hat sie sich von einem japanischen Tätowier-Meister stechen lassen – das berichtete zumindest meine Nach- barin. Der Adler sei wunder- schön gewesen, mit ausgebrei- teten Flügeln, auf denen man jede Feder gesehen habe. Mit einem im Rücken sehr weit aus- geschnittenen Kleid hat sie sich so von Ludwig II. fotografieren lassen. Dieses Bild hat ihm so gut gefallen, dass er es im- mer in seiner Brusttasche getragen hat. So konnte es auch niemand anders in die Hände bekommen. In den Wirren seines Todes jedoch ist die Fotografie verschwunden. Eines Ta- ges bekam Kaiser Franz Joseph die Fotografie zusam- men mit einem Erpresserbrief. Da stand, sehr schön formuliert, so in etwa: „Wenn Eure Majestät nicht wünschen, dass diese Fotografie einer größeren Menge von Menschen zur Ver- fügung gestellt wird, ...“. Der Erpresser forderte, 300.000 Gulden in Amsterdam zu hinterlegen. Kaiser Franz Joseph hat daraufhin ein Notkabinett einberufen und den Mann der Hoffriseuse beauftragt, den Fall zu lösen – von daher wissen wir das so genau. Denn er hat es natürlich seiner Frau erzählt, und die der Sisi. Der Kaiser hätte mit seiner Frau nie über solche Peinlichkeiten gesprochen. Das ist wirklich erstaunlich, dass solche Dinge über Sisi nicht bekannt sind … Pfeiffer: Die Bediensteten waren ja verpflichtet, nichts zu er- zählen. Das haben sie auch alle eingehalten, weil sie sonst entlassen worden wären. Die Friseuse hat auch ihrer Groß- nichte erst davon erzählt, als Sisi schon tot war - und das auch nur unter strengster Geheimhaltung! Die Großtante war schon lange tot, bis das alte Fräulein es mir in den 80er Jahren erzählt hat – nicht mehr unter strengster Geheimhal- tung, aber schon noch unter der Hand. Wahrscheinlich hat sie das nie jemandem so erzählt außer mir. Mir war damals gar nicht bewusst, dass man das alles gar nicht so weiß über die Elisabeth, sonst hätte ich noch genauer nachgefragt. Erst im Zuge meiner Erzählabende habe ich nachgeforscht und manches, was ich da erfahren habe, nirgends sonst gefun- den. Deswegen habe ich auch das Buch geschrieben. Bei Ihrem Geschichtenabend im Lauterbacher Schloss stehen nicht die Tätowierungen im Mittelpunkt, sondern Sisis Essgewohnheiten. Pfeiffer: Da geht es vor allem um ihren Schlankheits- und Gesundheitswahn. Sisi hatte wahnsinnige Angst, dick zu werden. Gerade nach den ersten drei Kindern, als sie ihre Pflicht erfüllt hatte - denn das dritte Kind war ja der ersehnte Thronfolger Kronprinz Rudolf - hatte sie Angst, eine dicke, alte Matrone zu werden. Da hat sie angefangen, massiv zu hungern. Viele waren entsetzt darüber, wie dünn die Kaise- rin war. Auch die Ärzte haben ihr zugeredet, dass sie mehr essen soll. Aber sie hat die Ratschläge nicht befolgt. War Sisi magersüchtig? Pfeiffer: Da sind sich die Spezialisten nicht einig, ob sie Magersucht hatte oder nicht. Es war wohl mehr Diätwahn. Was man aber feststellen konn- te, ist, dass sie Hunger-Ödeme hatte und auch immer wieder geschwollene Beine. Das hat sie selbst aber nie auf das we- nige Essen zurückgeführt. Sie wollte eher noch mehr hun- gern, damit die Schwellungen verschwinden. Außerdem hat Sisi massiv Sport betrieben. Sisi war vermutlich die erste Frau, die ein Fitnessstudio hatte. Sie hat sich in allen Schlössern ein Turnzimmer einrichten lassen mit Sprossenwand, Reck, Ringen und Seilen – und hat da ganz konsequent ihre Übungen gemacht. Gerne ist die Kaiserin auch stundenlang spazieren gegangen. Und das war auch mehr spazieren rennen als gehen. Die Hofdamen mussten hinterherhecheln – sie waren ja nicht trainiert. In Griechenland hatte sie übrigens sogar den Spitznamen „Ei- senbahn“, weil sie immer so schnell unterwegs war - denn die Eisenbahn war damals das schnellste Fortbewegungsmittel. Was hat Sisi denn überhaupt gegessen? Pfeiffer: An ihren Fastentagen hat sie oft nur ein Glas Orangen- saft getrunken oder ein Glas Milch. Zu Mittag gab es ausge- pressten Fleischsaft, am Abend meistens nichts mehr. Außer es hat ihr jemand besonders gut zugeredet, dann gab es auch mal ein Glas Bier. Anscheinend ist Sisi sogar im Geschwind- schritt zu Fuß von Possenhofen nach München gegangen, hat dort imHofbräuhaus eine oder zwei Maß Bier getrunken und ist wieder zurück marschiert an den Starnberger See. Wir wollen nicht zu viel verraten – mehr über Sisis Essgewohn- heiten berichten Sie ja im Schloss Lauterbach oder in Ihrem Buch… Vielen Dank für diesen ersten Einblick, Frau Pfeiffer. Ein Interview mit Geschichtenerzählerin Wilma Pfeiffer Wussten Sie, dass die weltbekannte Kaiserin Eli- sabeth, genannt Sisi, Tattoos hatte? Und dass sie in Griechenland den Spitznamen „Eisenbahn“ trug? Wilma Pfeiffer kennt zahlreiche völlig un- bekannte Details und Anekdoten aus dem Leben der Kaiserin von Österreich. Die Geschichten- erzählerin, die am Mittwoch, 10. Oktober, um 20 Uhr zum Poetischen Herbst ins Schloss Lauter- bach kommt, hatte eine einmalige Quelle für sol- che intimen Informationen. Welche das war, er- zählt die Penzbergerin im Interview. Frau Pfeiffer, wie sind Sie zur Sisi gekommen? Pfeiffer: Ich habe immer an Orten gelebt, an denen sich Elisa- beth längere Zeit aufgehalten hat. Ich bin in Bad Ischl zur Schule gegangen (kaiserliche Sommer-Residenz; Anmerk. d. Red.), habe in Wien studiert, jetzt wohne ich in der Nähe des Starnberger Sees – also eigentlich haben mich diese Ge- schichten immer verfolgt. In Wien hatte ich eine tolle Nach- barin, eine sehr alte Dame, das Fräulein Amalie, bei der ich etwa eineinhalb Jahre lang jeden Mittwoch um 17 Uhr zur Melange eingeladen war. Es hat sich herausgestellt, dass sie GEHEIMNISSE EINER KAISERIN Das Buch: „Die wilde Kaiserin. Sisi in Geschichten und Anekdoten.“ 14,90 Euro; Bayerland Verlag. So schmal war Sisis Taille: Das rote Band von Wilma Pfeiffer ist genau 50 Zentimeter lang. Wilma Pfeiffer ist 50 Jahre alt, hat drei Töch- ter und lebt in Penzberg. Geboren wurde sie in Oberösterreich. In ihren ersten Lebensjahren wuchs sie in einem Haus ohne Strom mit Brunnen vor dem Haus auf. Statt Fernsehen wurden Geschichten erzählt. Das mündliche Erzählen ist ihr also förmlich in die Wiege gelegt. Später studierte Wilma Pfeiffer in Wien Russisch, in Innsbruck Europäische Ethnologie. Der Liebe wegen kam sie 1998 nach Bayern. Sie betreute zunächst russische Delegationen sowie andere ausländische Gäste in München und erzählte Stadtgeschichte. Schließlich führte sie auch deutschsprachige Gäste durch die Landes- hauptstadt und unterhielt sie mit ihren Geschichten. Weil sie damit so erfolgreich war und einen Riesenspaß dabei hatte, gab sie ihre Übersetzertätigkeit auf und absolvierte eine Ausbildung zur Geschichtenerzählerin. Hier lernte Wilma Pfeiffer die Grund- sätze des mündlichen Erzählens. Anschließend fanden die ersten Geschichtenabende statt, die sie noch immer mit vollem Herzblut veranstaltet. Regelmäßig fährt sie auch nach Irland und nimmt an Storytelling-Festivals teil.

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